124 | I. Die Abtei von Saint-Bertin
des Abtes von Saint-Bertin auf. Bedenkt man, dass Hugo von Cluny Lambert nach
dem Ablegen seiner Profess das cluniazensische Totengedenken zugesichert hatte,
ist anzunehmen, dass Lamberts Name aus den Totenbüchern bewusst gestrichen
wurde.524
Das Verhalten der hier vorgestellten Akteure macht mehrere Dinge deutlich: Auf
der flandrischen Seite wird erkennbar, dass eine Einmischung des Abtes von Cluny
in die Belange des Klosters von Sithiu auf alle Fälle vermieden werden musste.525
Hierbei spielten offensichtlich herrschaftspolitische Gründe eine große Rolle. Diese
Interessen wurden letztlich über die einst gefassten Bestimmungen einer Übertra-
gung der Abtei an Cluny gesetzt. Das gesamte Verhalten der flandrischen Partei,
wie auch Abt Lamberts gegenüber Cluny mutet äußerst opportunistisch an. Zudem
stützt es die Vermutung, Lamberts Profess sei ein geschicktes taktisches Manöver
gewesen, um das Bertinuskloster einer correctio zu unterziehen, in diesem Zusam-
menhang die Besitzstrukturen neu zu ordnen und nicht zuletzt die prestigeträchtige
Lebensweise von Cluny in Flandern einzuführen. Gerade bei der Frage nach der
Verbindlichkeit der abgelegten Profess wird deutlich, dass Lambert eine weitge-
fasste Auffassung seiner Pflichten hatte und dabei stark von den Interessen seines
Umfeldes abhing. Während Lamberts nahezu eigenständiges Handeln unter Abt
Hugo mehr oder weniger geduldet wurde, sollte sich dies unter Pontius ändern.
Dieser hatte offenbar ein weit strikteres Verständnis der Rechte und Pflichten Saint-
Bertins gegenüber Cluny. Herbert Cowdrey ging sogar soweit, aus Simons Bericht
Aussagen über den persönlichen Charakter des Pontius zu treffen und darin einen
Hauptgrund für die Entstehung und Eskalation des Konflikts zu sehen.526
Die Ereignisse in Saint-Bertin zeigen somit, dass die correctio des Klosters nicht
allein auf die Beziehungen mit Cluny reduziert werden darf. Es wird deutlich, dass
eine Vielzahl von Akteuren an der correctio beteiligt und von ihren Folgen betrof-
fen waren. Darüber hinaus zeigt das Beispiel, dass die Zeitgenossen ganz unter-
schiedliche Auffassungen von der Umsetzung einer correctio hatten und sich dabei
zum Teil sehr große Spielräume zusprachen.
524 Vgl. dazu D. Poeck, Cluniacensis ecclesia, S. 103, Anm. 473.
525 H. Sproemberg, Alvisus, S. 79, 90-91.
526 H. E. J. Cowdrey, Two Studies, IL Abbot Pontius of Cluny, S. 210-211. Derartigen Überlegungen ist
aber mit äußerster Vorsicht zu begegnen, da Simons Bericht äußerst tendenziös gerade gegenüber Pon-
tius von Cluny ist. Während Simon für Hugo von Cluny nur Worte der Wertschätzung findet, zeigt er
seine Abneigung gegenüber Pontius ganz offen; siehe dazu oben S. 97.
des Abtes von Saint-Bertin auf. Bedenkt man, dass Hugo von Cluny Lambert nach
dem Ablegen seiner Profess das cluniazensische Totengedenken zugesichert hatte,
ist anzunehmen, dass Lamberts Name aus den Totenbüchern bewusst gestrichen
wurde.524
Das Verhalten der hier vorgestellten Akteure macht mehrere Dinge deutlich: Auf
der flandrischen Seite wird erkennbar, dass eine Einmischung des Abtes von Cluny
in die Belange des Klosters von Sithiu auf alle Fälle vermieden werden musste.525
Hierbei spielten offensichtlich herrschaftspolitische Gründe eine große Rolle. Diese
Interessen wurden letztlich über die einst gefassten Bestimmungen einer Übertra-
gung der Abtei an Cluny gesetzt. Das gesamte Verhalten der flandrischen Partei,
wie auch Abt Lamberts gegenüber Cluny mutet äußerst opportunistisch an. Zudem
stützt es die Vermutung, Lamberts Profess sei ein geschicktes taktisches Manöver
gewesen, um das Bertinuskloster einer correctio zu unterziehen, in diesem Zusam-
menhang die Besitzstrukturen neu zu ordnen und nicht zuletzt die prestigeträchtige
Lebensweise von Cluny in Flandern einzuführen. Gerade bei der Frage nach der
Verbindlichkeit der abgelegten Profess wird deutlich, dass Lambert eine weitge-
fasste Auffassung seiner Pflichten hatte und dabei stark von den Interessen seines
Umfeldes abhing. Während Lamberts nahezu eigenständiges Handeln unter Abt
Hugo mehr oder weniger geduldet wurde, sollte sich dies unter Pontius ändern.
Dieser hatte offenbar ein weit strikteres Verständnis der Rechte und Pflichten Saint-
Bertins gegenüber Cluny. Herbert Cowdrey ging sogar soweit, aus Simons Bericht
Aussagen über den persönlichen Charakter des Pontius zu treffen und darin einen
Hauptgrund für die Entstehung und Eskalation des Konflikts zu sehen.526
Die Ereignisse in Saint-Bertin zeigen somit, dass die correctio des Klosters nicht
allein auf die Beziehungen mit Cluny reduziert werden darf. Es wird deutlich, dass
eine Vielzahl von Akteuren an der correctio beteiligt und von ihren Folgen betrof-
fen waren. Darüber hinaus zeigt das Beispiel, dass die Zeitgenossen ganz unter-
schiedliche Auffassungen von der Umsetzung einer correctio hatten und sich dabei
zum Teil sehr große Spielräume zusprachen.
524 Vgl. dazu D. Poeck, Cluniacensis ecclesia, S. 103, Anm. 473.
525 H. Sproemberg, Alvisus, S. 79, 90-91.
526 H. E. J. Cowdrey, Two Studies, IL Abbot Pontius of Cluny, S. 210-211. Derartigen Überlegungen ist
aber mit äußerster Vorsicht zu begegnen, da Simons Bericht äußerst tendenziös gerade gegenüber Pon-
tius von Cluny ist. Während Simon für Hugo von Cluny nur Worte der Wertschätzung findet, zeigt er
seine Abneigung gegenüber Pontius ganz offen; siehe dazu oben S. 97.