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Sellner, Harald [VerfasserIn]; Eberhard Karls Universität Tübingen [Grad-verleihende Institution] [Hrsg.]
Klöster zwischen Krise und correctio: monastische "Reformen" im Hochmittelalterlichen Flandern — Klöster als Innovationslabore, Band 3: Tübingen, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.48960#0132
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128 | I. Die Abtei von Saint-Bertin

Der Bericht des Continuators wirft die Frage auf, weshalb die Gemeinschaft von
Sithiu erst so spät reagierte. Der Hinweis auf die wohl zuvor vom Papst verordnete
Absetzung Simons könnte eine Antwort hierauf liefern.541 So besteht durchaus die
Möglichkeit, dass es in Saint-Bertin eine einflussreiche Gruppe von Mönchen ge-
geben hat, die dafür sorgte, dass die von Innozenz II. gesetzte zweite Frist bewusst
überschritten wurde, womit Simon Schluss endlich aus seinem Amt enthoben wur-
de. Da aber die Mönche offensichtlich die Abhängigkeit von Cluny fürchteten und
einen eigenen Kandidaten wählen wollten, kann es sich bei diesen Mönchen nicht
um Cluniazenser gehandelt haben. Vieles spricht letztlich dafür, dass die Absetzung
Simons, aus welchen Gründen auch immer, eine sehr wohl berechnete Angelegen-
heit war und sicherlich, wie Simon bereits im Zusammenhang mit seiner Absetzung
als Vicarius durchscheinen lässt, auf die Machenschaften innerklösterlicher Grup-
pierungen zurückzuführen war.
Dreizehn Monate habe die Gemeinschaft schließlich gebraucht, bis ein neuer
Abt gewählt wurde. Die Wahl der Mönche fiel auf Leonius, der zuvor die Leitung
der Abtei von Lobbes innehatte.542 Cluny appellierte daher erneut an Innozenz II.,
der in dieser Angelegenheit zuerst mit der Kurie beraten wollte. Diesmal kamen
Abt Leonius, seine Mönche und sein früherer Lehrer, Bischof Alvisus von Arras,
im Herbst 1138 als erste Partei in Rom an. Petrus Venerabilis und die Cluniazenser
trafen hingegen erst im April 1139 zum Laterankonzil in der Heiligen Stadt ein.543
Der zeitliche Vorsprung der bertinianischen Gesandtschaft habe sich, wie Simon
bemerkt, durchaus positiv ausgewirkt, denn durch gute Gespräche, regelmäßige
Anwesenheit und zahlreiche Dienste habe sie sich die Gunst der Kurie erworben.544
Ein Brief Bernhards von Clairvaux an Petrus Venerabilis, in dem er den Abt von
Cluny zum Verzicht auf seinen Anspruch ermahnte, zeigt zudem, dass Leonius
auch außerhalb Roms einen mächtigen Fürsprecher und Unterstützer in dieser An-
gelegenheit gefunden hatte.545
quo licentiam liberae electionis secundum regulam sancti Benedicti et secundum morem antiquorum vix
emungendo impetrantes, reversi sunt et de electione cum caeteris tractare coeperunt.«
541 Ein solches Schreiben ist nicht bekannt. Dennoch deutet der Plural litteris apostolicis darauf hin, dass
neben dem genannten Schreiben vom 30. März 1132 weitere Schreiben folgten.
542 Simon, Gesta, III, c. 1-3, S. 661-662; zu Leonius und seinem Abbatiat in Lobbes siehe unten S. 504-
508 und J. Warichez, L’abbaye de Lobbes, S. 84-110; zu seiner Teilnahme am zweiten Kreuzzug vgl.
N. N. Hugyhebaert, L’abbe Lionnel de Saint-Bertin; zu seiner Rolle bei der Trennung des Bistums
Noyon-Tournai Ders., Les abbes de Saint-Bertin et la restauration.
543 Simon, Gesta, III, c. 5, S. 662: »Vixque unius anni spacio transeunte, Cluniacensi importunitate pulsatur,
litteris apostolicis ad causam evocatur; praeparatis Omnibus, cum episcopo Atrebatensi domno Alviso
Romam proficiscitur. Adventum Cluniacensis a depositione sancti Martini usque in mediam quadrage-
simam, quando generale celebrandum erat concilium, patienter prestolatur.«
544 Simon, Gesta, III, c. 5, S. 662: »Quo temporis spacio tum colloquii affabilitate, tum conversationis fa-
miliaritate, tum servicii assidua liberalitas apostolicam totiusque curiae adquisivit gratiam.«
545 Bernhard von Clairvaux, Opera, Bd. 7, ep. 149, S. 353.
 
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