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Sellner, Harald [VerfasserIn]; Eberhard Karls Universität Tübingen [Grad-verleihende Institution] [Editor]
Klöster zwischen Krise und correctio: monastische "Reformen" im Hochmittelalterlichen Flandern — Klöster als Innovationslabore, Band 3: Tübingen, 2016

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.48960#0136
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132 | I. Die Abtei von Saint-Bertin

sicheres Einkommen zu, das seinen Unterhalt gewährleisten sollte.559 In erster Linie
handelte es sich dabei um Nahrungsmittel, aber auch um Kleidung. Die Seelgerät-
stiftung Heriberts für die Tafel der Mönche sah eine pitancia vor, eine zusätzliche
Gabe in Form von Fisch und Wein, die unabhängig von den normalen Rationen
gegeben werden sollte.560
Diese Pitanzen, die auch bei Nichtbedarf vom Tisch mitgenommen werden
konnten, wurden von den Mönchen nicht selten anderweitig verwendet. Die Tatsa-
che, dass nach dem Tod eines Bruders ein halbes Pfund Denare an die Priester gege-
ben werden sollte, legt die Vermutung nahe, dass die Konventualpfründen zum Teil
bereits in Form von Geld entgegengenommen wurden.561 Die Anweisung, dass die
Pfründe nach dem Tod ihres Inhabers für ein Jahr an einen Priester - sicherlich der
Gemeinschaft - gehen solle, zeigt darüber hinaus, dass Pfründen kumuliert werden
konnten und dabei bestimmte Ämter, in diesem Falle das des Priesters, bevorzugt
wurden.
Die Tatsache, dass Mönche über eigene Pfründen verfügten, war freilich nicht
unumstritten, da dadurch Tür und Tor geöffnet wurden für Eigenbesitz, was von
der Benediktregel klar untersagt wurde.562 Während die jedem Mönch täglich zuste-
henden Rationen an Nahrungsmitteln noch keine Gefahr darstellten, boten die Pi-
tanzen sehr wohl die Gelegenheit, diese anderweitig zu verwenden. Simons Bericht
führt genau dies vor Augen: Eigentlich hätte der Überschuss den Armen zugute
kommen sollen, doch stattdessen wurde damit der Unterhalt der Diener bestrit-
ten.563
Die Aufnahme der Cluniazenser 1101 sollte diesen Missständen ein Ende bereiten.
Simon berichtet, dass sie nach Saint-Bertin kamen und damit begannen nach der
Regel zu leben (regulariter vivere). Einige Mönche hätten aus Angst vor der stren-

559 Unter Abt Hilduin (866-877) verfügte das Kloster über 60 Konventualpfründen; vgl. dazu Recueil des
actes de Charles II le Chauve, Bd. 2, D 430, S. 458-463.
560 W. Ogris, Konventualpfründe, S. 469-470; E Neiske, Artikel »Pitanz«, Sp. 2188; G. Zimmermann,
Ordensleben und Lebensstandard; H. Lentze, Pitanz und Pfründe; auf die Pitanzen in Cluny gehen
B. Tutsch, Studien zur Rezeptionsgeschichte der Consuetudines, S. 284 und J. Sonntag, Klosterleben im
Spiegel des Zeichenhaften, S. 313 ein.
561 In Flandern spielt die Geldwirtschaft bereits im Hohen Mittelalter eine zunehmend wichtige Rolle,
so dass anzunehmen ist, dass sie sich auf die Klöster auswirkte. Eine Urkunde von 1097 (B. Guerard,
Cartulaire, S. 244) belegt zudem die Existenz von Geldlehen; vgl. zu diesem Phänomen D. Heirbaut,
Fief-rents. Zur Geldwirtschaft in Flandern vgl. F. Dumas, Comparison between the Political, die den
Zusammenhang zwischen der politischen, wirtschaftlichen und monetären Entwicklung Nordfrank-
reichs untersucht.
562 RB33.
563 Bereits im 9. Jahrhundert wurde die mensa conventualis nochmals geteilt, um die Diener der Mönche
zu ernähren. Offensichtlich war diese mensa in Vergessenheit geraten; siehe dazu unten Anm. 766.
 
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