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Sellner, Harald [VerfasserIn]; Eberhard Karls Universität Tübingen [Grad-verleihende Institution] [Editor]
Klöster zwischen Krise und correctio: monastische "Reformen" im Hochmittelalterlichen Flandern — Klöster als Innovationslabore, Band 3: Tübingen, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.48960#0138
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134 | I. Die Abtei von Saint-Bertin

Dies wirft freilich die Frage auf, ob die Lebensweise in Sithiu von den dortigen
Mönchen überhaupt noch in Verbindung mit Cluny gebracht wurde.

3.2.2. Abt Leonius und die Lebensweise von Sithiu
Hinweise auf Veränderungen in der Lebensweise von Sithiu gibt ein Brief Bern-
hards von Clairvaux, der allerdings in die Zeit Abt Leonius’ datiert und sich an die
Brüder der Gemeinschaft richtet.572 Im Mittelpunkt dieses Briefs steht die strenge
Regelobservanz von Saint-Bertin, die das Lob des großen Zisterziensers auf sich
zog. Bernhard betont zunächst, dass jeder Mönch weiterhin zu Höherem streben
müsse: »Handelt so, ich bitte Euch, Geliebteste, handelt so! Ist doch ein Schüler, der
Fortschritte macht, der Ruhm des Lehrers. Wer in der Schule Christi keinen Fort-
schritt macht, ist seiner Lehre nicht würdig, zumal wir uns dort befinden, wo nichts
auf demselben Stand verharrt und wo keine Fortschritte zu machen ohne Zweifel
Rückschritt ist.«573 »Lauft also so, Brüder, dass ihr den Siegespreis gewinnt (1 Kor
9,24).«574 Bernhard ermutigt sodann zum Ehrgeiz in geistlichen Angelegenheiten
und vergleicht ihn mit den irdischen Begierden. Während letztere den ewigen Tod
zur Folge haben, führe das fromme Streben zum ewigen Heil.575 Die Brüder von
Saint-Bertin, so erfährt man, seien in diesem Eifer entbrannt: »Ihr habt also gut ge-
tan, Geliebteste, daß Ihr zu der früheren Regel über das Stillschweigen noch etwas
hinzugefügt habt, denn es ist wirklich, wie der vorhin erwähnte Prophet bezeugt,
>die Frucht der Gerechtigkeit* (Jes 32,17).«576 Die Brüder von Sithiu hatten sich aber
nicht nur in besonderem Maße der silentii disciplina verschrieben, sondern prak-
tizierten auch eine noch striktere Abkehr von der Welt: »Gut habt Ihr getan, daß
Ihr Euch mehr und mehr von den Handlungen dieser Welt lossagt; das ist die reine
und makellose Religion. [...] Wenn wir die ganze Welt verachtet haben, wenn wir
572 Bernhard von Clairvaux, Opera, Bd. 8, ep. 385, S. 351-354; E Gastaldelli datiert diesen Brief auf das
Jahr 1139 und sieht einen direkten Zusammenhang mit der wiedererlangten Freiheit Sithius (Bernhard
von Clairvaux, Sämtliche Werke. Lateinisch/deutsch, Bd. 3, S. 1194).
573 Die Übersetzung ist entnommen aus: Bernhard von Clairvaux, Sämtliche Werke. Lateinisch/deutsch,
Bd. 3, S. 729; Bernhard von Clairvaux, Opera, Bd. 8, ep. 385, S. 351: »Ita quaeso, ita fache, dilectissimi.
Discipulus quippe proficiens, gloria est magistri. Quisquis in schola Christi non proficit, eius indignus
est magisterio, praesertim cum sibi simus, ubi nihil in eodem statu permanet; et non proficere, sine dubio
deficere est.«
574 Bernhard von Clairvaux, Sämtliche Werke. Lateinisch/deutsch, Bd. 3, S. 731; Bernhard von Clairvaux,
Opera, Bd. 8, ep. 385, S. 352: »Sic ergo currite, fratres, ut comprehendatis.«
575 Bernhard von Clairvaux, Opera, Bd. 8, ep. 385, S. 352-353.
576 Bernhard von Clairvaux, Sämtliche Werke. Lateinisch/ deutsch, Bd. 3, S. 733; Bernhard von Clairvaux,
Opera, Bd. 8, ep. 385, S. 353: »Bene ergo fecistis, dilectissimi, addere aliquid ad priorem silentii regulam,
quod nimirum, praedicto attestante Propheta, Cultus iustitiae est.«
 
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