Metadaten

Sellner, Harald [VerfasserIn]; Eberhard Karls Universität Tübingen [Grad-verleihende Institution] [Hrsg.]
Klöster zwischen Krise und correctio: monastische "Reformen" im Hochmittelalterlichen Flandern — Klöster als Innovationslabore, Band 3: Tübingen, 2016

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.48960#0147
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten

DWork-Logo
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
3. Die Veränderungen durch die correctio | 143

3.3.1. Die innerklösterlichen Gruppierungen der Gemeinschaft
Die correctio Sithius hatte aber nicht nur einen enormen Anstieg von Klostereintrit-
ten zur Folge, sondern führte auch zur Herausbildung größerer innerklösterlicher
Gruppen.
Aus Simons Gesta abbatum lässt sich erschließen, dass es in der Gemeinschaft
von Saint-Bertin mindestens vier größere Gruppen von Mönchen gab, die sich durch
ihre geographische und spirituelle Herkunft voneinander unterschieden: Eine zwar
kleine aber äußerst wichtige innerklösterliche Gruppe stellten die Cluniazenser dar.
Simon berichtet, dass diese 1101 nach Saint-Bertin gekommen seien und ursprüng-
lich aus unterschiedlichen Klöstern stammten.622 Offenbar versuchte man dadurch,
im Voraus eine mögliche Gruppenbildung unter den Cluniazensern zu vermeiden
und somit deren Integration in die Gemeinschaft zu erleichtern.623
Dieser kleinen Gruppe stand ein Gros flandrischer Mönche gegenüber, das sich
wiederum in drei kleinere Gruppen einteilen lässt: Zunächst ist davon auszugehen,
dass bei der Ankunft der Cluniazenser nicht alle Mönche die Gemeinschaft verlas-
sen hatten, sondern eine gewisse Anzahl von Mönchen in Sithiu zurückgeblieben
war. Diese Gruppe, die wohl vorwiegend aus den älteren Mönchen bestand, war
der correctio eher zugeneigt.624 Diesen flandrischen Mönchen treten nun aber die
zahlreichen Neubekehrten zur Seite. Aus ihren Reihen geht wiederum die vierte
Gruppe hervor, nämlich jene flandrischen Mönche, die im Lauf der Zeit in Cluny
die Profess abgelegt hatten.
Dass Simon in seiner Chronik keinerlei Sympathien für die cluniazensischen
Professmönche hegte, ist mehr als offensichtlich. Aber gerade diese starke Tendenz
in der Erzählung liefert wichtige Einblicke in das Leben und die Organisation der
Gemeinschaft. Sie ermöglicht es, ansatzweise die Rolle zu ermitteln, die die clunia-
zensischen Professmönche in der Gemeinschaft spielten.
Zu Beginn des Konfliktes mit Pontius von Cluny bemerkt Simon, dass die
Cluniazenser über einige der Mönche »herrschten« {principare).625 Diese kurze
Bemerkung macht mehrere Dinge deutlich: Zunächst scheinen die Cluniazenser
622 Simon, Gesta, II, c. 67, S. 649: »Cluniacensis vero de diversis Cluniacensium monasteriis [...] introdu-
xit.« Hermann, Liber, c. 80, S. 134 spricht von zwölf Cluniazensern.
623 Vgl. hierzu in ähnlicher Weise die correctio von Saint-Jean in Laon, wo ebenfalls Mönche aus verschie-
denen Klöstern zusammengeführt wurden; siehe dazu unten S. 377-378.
624 Die Gruppe der in Sithiu verbliebenen Mönche dürfte sich weitgehend mit jener decken, die sich für eine
Gesandtschaft zu Abt Lambert in Cluny aussprach, vgl. dazu Simon, Gesta, II, c. 65, S. 648. Zudem zeigt
das Beispiel Simons selbst, das nicht alle Mönche die Gemeinschaft verlassen hatten. Zur Verbindung
zwischen correctio und Generationen im Kloster vgl. A. Kehnel, S. von Heusinger (Hgg.), Generations
in the Cloister, aber auch die Studie zu Farfa von S. Boynton, Shaping a Monastic Identity.
625 Simon, Gesta, II, c. 89, S. 653: »Cluniacenses nobiscum tune conversantes caeterisque principantes [...].«
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften