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Sellner, Harald [VerfasserIn]; Eberhard Karls Universität Tübingen [Grad-verleihende Institution] [Editor]
Klöster zwischen Krise und correctio: monastische "Reformen" im Hochmittelalterlichen Flandern — Klöster als Innovationslabore, Band 3: Tübingen, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.48960#0154
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150 | I. Die Abtei von Saint-Bertin

Profess aber eher hinderlich, was mit Hinblick auf den Konflikt mit Cluny seit 1112
verständlich wird.653
Vor diesem Datum war die in Cluny abgelegte Profess noch ein relativ sicherer
Weg gewesen, um in anderen Klöstern in wichtige Positionen aufzusteigen. Als
erster Fall ist hier die Neubesetzung des Abtsstuhls von Auchy-les-Moines zu nen-
nen. Da der Abt von Saint-Bertin das Recht besaß, den Abt dieser Gemeinschaft
zu bestimmen, aber offensichtlich noch kein geeigneter flandrischer Mönch zur
Verfügung stand, habe er, so Simon, einen seiner Cluniazenser namens Odo dort
hingeschickt.654 Dies schien eine aus der Not heraus geborene Ausnahme gewesen
zu sein, denn wenig später, 1106, sollte ein gewisser Hermes, der einst Prior in
Sithiu war, zum Abt von Bergues-Saint-Winnoc geweiht werden. Zum Zeitpunkt
seiner Wahl habe er sich noch in Cluny befunden, wo er die Profess abgelegt hatte
und in der Folge wohl, wie einst Lambert, den Ordo erlernte, bevor man ihn dann
zurück nach Flandern holte und mit seiner neuen Funktion betraute.655 Auch in
Saint-Vaast in Arras lassen sich 1112 zwei »flandrisch cluniazensische« Professmön-
che nachweisen.656
Dass aber alle Mönche, die zu solchen Missionen eingesetzt wurden, zwingend
in Cluny die Profess abgelegt haben mussten, lässt sich nicht bestätigen. So gehör-
te beispielsweise Alvisus, der spätere Abt von Anchin, zu jenen bertinianischen
Mönchen, die 1109 mit der correctio von Saint-Vaast beauftragt worden waren, und
bekleidete dort das wichtige Amt des Priors.657 Alvisus hatte mit Sicherheit nie die
Profess in Cluny abgelegt. Hierfür spricht zum einen sein entschiedenes Eingreifen
in den Konflikt mit Pontius; zum andern zwei Briefe aus dem Jahr 1111, in denen

653 Es ist die Rede davon, dass auch die flandrisch-cluniazensischen Professmönche argwöhnisch betrachtet
wurden. Simon, Gesta, II, c. 107, 109, S. 657.
654 Simon, Gesta, c. 71, S. 649: »Primo igitur Alciacensis aecclesia pastore destituitur proprio, magnae sim-
plicitatis et innocentiae viro nomine Norberto. Cui coenobio cum pastorem providere debeat Sithiensis
congregatio tarn ex apostolica sanctione quam ex priscorum institutione, abbas Lambertus se totum
suaque omnia Cluniacensibus indulgens, ex eis quendam Odonem nomine, virum religiosum, Alciacensi
preposuit cenobio.«
655 Interessant ist der Hinweis darauf, dass Hermes einst ein Prior in Saint-Bertin war. Offensichtlich qua-
lifizierte das Priorat dazu, in Cluny die Profess abzulegen, um dann in einem anderen Kloster und nicht
in Sithiu zu wirken.
656 Simon, Gesta, c. 83, S. 651: »[...] ut Sithienses mittantur Atrebatum [...].«; Simon, Gesta, c. 95, S. 654:
»Audiens vero, duos nostros monachos, qui Cluniaci iam antea professi erant, adhuc Atrebati demorari,
missis caballis, eos ad se vocavit.« Nach Saint-Vaast in Arras wurde 1109 eine Gruppe von Mönchen
aus Saint-Bertin geschickt. Unter ihnen befand sich auch Alvisus, der spätere Abt von Anchin. Es ist
anzunehmen, dass diese Gruppe nicht ausschließlich aus cluniazensischen Professmönchen bestand.
657 Zur Intervention des Alvisus vgl. Simon, Gesta, II, c. 95, S. 654; zur correctio von Saint-Vaast Simon,
Gesta, II, c. 84, S. 451-452; zu seinem Amt als Prior vgl. C. Giordanengo (Hg.), Le registre de Lambert,
E 112, S. 482: »[...] communi consilio elegimus priorem ecclesiae Sancti Vedasti, donnum Alvisum,
pastorem nobis fieri.«
 
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