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Sellner, Harald [VerfasserIn]; Eberhard Karls Universität Tübingen [Grad-verleihende Institution] [Editor]
Klöster zwischen Krise und correctio: monastische "Reformen" im Hochmittelalterlichen Flandern — Klöster als Innovationslabore, Band 3: Tübingen, 2016

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.48960#0174
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170 | I. Die Abtei von Saint-Bertin

des 12. Jahrhunderts entlarvt werden konnten.747 Vanderputten datiert die Ereig-
nisse in den Abbatiat des Rodericus, in die Zeit um 1042.748 Simons Text, der frei-
lich selbst bei seiner Abschrift im 12. Jahrhundert Abänderungen erfahren haben
könnte, bringt den Fall Gerbodos aber eindeutig in Zusammenhang mit Abt Bovo
von Saint-Bertin.749 Die schwierige Überlieferungssituation macht eines deutlich:
Der Besitz von Arques bot, wie die verschiedenen Versionen und Fälschungen der
Urkunde zeigen, weit über das 11. Jahrhundert hinaus immer wieder Anlass zu
schweren Konflikten.750 Von Seiten des Klosters mag dies wenig verwundern, da das
Dorf von Arques zu den wichtigsten Besitzungen der mensa abbatialis gehörte.751
Das Beispiel Gerbodos sticht aber vor allem durch seine besondere Grausamkeit
gegenüber Albricus hervor. Vanderputten hat sich in diesem Zusammenhang mit
dem Phänomen der Gewalt gegenüber Mönchen befasst und konnte zeigen, dass die
Kastration dieses Mönchs nicht Ausdruck blinder Gewalt war, sondern ein klares
politisches Zeichen. Durch seine »schlechten Gewohnheiten« in Arques habe er das
Kloster bewusst provoziert, um in Verhandlungen mit dem Abt seine Position neu
zu definieren. Als nun aber nicht der Abt, sondern Albricus nach Arques gekom-
men war, habe er mit der Kastration ein klares Zeichen gesetzt. Ziel dieser grausa-
men Tat sei es gewesen, vom Abt als würdiger Verhandlungspartner anerkannt zu
werden. Dennoch darf in der Kastration des Albricus ein Angriff auf die Autorität
des Abtes gesehen werden, da er diesen schließlich vertreten hatte.752
Nach Vanderputten gehörte Gerbodo zu einer Familie von aufstrebenden
Ministerialen und hatte wohl selbst begonnen, eine Herrschaft aufzubauen.753 Die
bewusste Provokation des Abtes habe diesen zum Handeln und letztendlich zur
Anerkennung Gerbodos veranlasst. Vanderputtens These ist durchaus plausibel
und spiegelt ein Szenario wider, das einige flandrische Klöster vor allem in der ers-
747 Die Urkunde ist in zwei Versionen überliefert, von denen die eine auf 1042, die andere auf 1056 datiert
ist. Jene von 1056 wurde als Fälschung der Zeit zwischen 1167 und 1174 entlarvt. Die Version von 1056
basierte wiederum auf jener von 1042, die ebenfalls eine Fäschung des 12. Jahrhunderts ist. Dazu S. Van-
derputten, Diplome princier; Ders., Monks, Knights, and the Enactment, Appendix, S. 609-612. Ders.,
S. 611 verweist auf die unveröffentlichte Studie von L. Morelle. Demnach steht die Urkunde von 1042
in direktem Zusammenhang mit dem Ausstellen einer Bestätigungsurkunde Graf Dietrichs von 1147
(Th. Hemptinne, A. Verhulst (Hgg.), De oorkonden, Bd. 1, D 109, S. 174-178) und dürfte eventuell zu
diesem Zwecke verfasst worden sein.
748 S. Vanderputten, Monks, Knights, and the Enactment, S. 586.
749 Siehe dazu oben S. 169.
750 In einer Urkunde von 1119 bestätigt Graf Balduin VII. dem Kloster, auf Bitten Lamberts, den Besitz von
Arques (B. Guerard, Cartulaire, S. 255-257). Bereits 1102 bestätigte Robert II. den Besitz von Arques
(Guerard, Cartulaire, S. 222).
751 Zu Arques als umstrittener Besitz von Saint-Bertin vgl. F. L. Ganshof, L’abbaye et les origines du comte
de Guines.
752 S. Vanderputten, Monks, Knights, and the Enactment, S. 601-607.
753 S. Vanderputten, Monks, Knights, and the Enactment, S. 603-604; E. Warlop, The Flemish Nobility,
S. 1024.
 
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