4. Simons Gesta abbatum als Überrest der correctio | 189
Alle fünf von Simon angeführten Beispiele von correctiones durch Mönche aus
Saint-Bertin folgen einem sehr ähnlichen Muster: In einer Gemeinschaft war es zu
einem Konflikt gekommen, der Abt wandte sich Hilfe suchend an die Außenwelt
und fand Unterstützung bei Abt Lambert, Bischof Johannes und dem Grafenhaus.
Diese sorgten dafür, dass nicht nur auserwählte Mönche aus Sithiu in die Gemein-
schaften eingeführt wurden, sondern auch, dass, wie einige Fälle zeigen, ein neuer
Abt eingesetzt wurde. In beinahe allen Fällen führte dieses Vorgehen zur Flucht
zahlreicher Mönche, zum Eintritt neuer und längerfristig zur Wiederherstellung
der religio.
Fazit
Religio und disciplina sind zweifelsohne die dominierenden Begriffe in Simons
Darstellung. Lediglich ein einziges Mal verweist er auf die Einführung des ordo
cluniacensis. Dies bedeutet freilich nicht, dass dieser Ordo in den übrigen vier
Beispielen nicht in irgendeiner Weise zur Anwendung gekommen war, schließlich
überschreibt Simon diesen Teil seines Werks mit der Rubrik »De introductione
ordinis ex hac aecclesia in vicinas aecclesias«.^2 Es macht vielmehr deutlich, dass
Simon ganz andere Akzente setzte. Wie das Beispiel von Saint-Vaast in Arras zeigt,
konnten wichtige Strukturelemente des alltäglichen klösterlichen Lebens wie die
Lektüre normativer Texte und der Heiligen Schrift in der Gemeinschaft durchaus
noch intakt gewesen, die religio aber dennoch abhanden gekommen sein. Für den
Chronisten von Sithiu waren Ungehorsam, Zwietracht, Neid, Intrigen und Kom-
plizenschaft deutliche Indikatoren für ein wenig gottgefälliges Leben. Die religio
verweist demnach vor allem auf eine Verinnerlichung grundlegender monastischer
und christlicher Werte und keinesfalls auf eine bestimmte Lebensweise, wie jene
Clunys. Auch der fervor regularis verweist eher auf eine innere Haltung als auf die
getreue Umsetzung neuer Gewohnheiten.
Der Ordo der burgundischen Abtei oder dessen in Saint-Bertin praktizierte Ver-
sion spielte dennoch eine nicht unbedeutende Rolle. Seine Einführung bedeutete
aber nicht zwangsläufig eine Substitution der überkommenen alten Gewohnheiten,
sondern, wie Simons Text betont, lediglich eine Rückkehr zu religio und disciplina
812 Simon, Gesta, II, c. 70, S. 649. Ob diese Rubrik tatsächlich von Simon stammt oder erst bei der Abschrift
des Textes in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts hinzugefügt wurde, lässt sich nicht ermitteln.
Auch wenn das Beispiel von Saint-Vaast zeigt, dass Simon mit ordo u. a. den ordo cluniacensis meinen
konnte, kann mit diesem Begriff auch schlicht und ergreifend die Ordnung, das heißt eine Rückkehr zu
geordneten Verhältnissen gemeint sein.
Alle fünf von Simon angeführten Beispiele von correctiones durch Mönche aus
Saint-Bertin folgen einem sehr ähnlichen Muster: In einer Gemeinschaft war es zu
einem Konflikt gekommen, der Abt wandte sich Hilfe suchend an die Außenwelt
und fand Unterstützung bei Abt Lambert, Bischof Johannes und dem Grafenhaus.
Diese sorgten dafür, dass nicht nur auserwählte Mönche aus Sithiu in die Gemein-
schaften eingeführt wurden, sondern auch, dass, wie einige Fälle zeigen, ein neuer
Abt eingesetzt wurde. In beinahe allen Fällen führte dieses Vorgehen zur Flucht
zahlreicher Mönche, zum Eintritt neuer und längerfristig zur Wiederherstellung
der religio.
Fazit
Religio und disciplina sind zweifelsohne die dominierenden Begriffe in Simons
Darstellung. Lediglich ein einziges Mal verweist er auf die Einführung des ordo
cluniacensis. Dies bedeutet freilich nicht, dass dieser Ordo in den übrigen vier
Beispielen nicht in irgendeiner Weise zur Anwendung gekommen war, schließlich
überschreibt Simon diesen Teil seines Werks mit der Rubrik »De introductione
ordinis ex hac aecclesia in vicinas aecclesias«.^2 Es macht vielmehr deutlich, dass
Simon ganz andere Akzente setzte. Wie das Beispiel von Saint-Vaast in Arras zeigt,
konnten wichtige Strukturelemente des alltäglichen klösterlichen Lebens wie die
Lektüre normativer Texte und der Heiligen Schrift in der Gemeinschaft durchaus
noch intakt gewesen, die religio aber dennoch abhanden gekommen sein. Für den
Chronisten von Sithiu waren Ungehorsam, Zwietracht, Neid, Intrigen und Kom-
plizenschaft deutliche Indikatoren für ein wenig gottgefälliges Leben. Die religio
verweist demnach vor allem auf eine Verinnerlichung grundlegender monastischer
und christlicher Werte und keinesfalls auf eine bestimmte Lebensweise, wie jene
Clunys. Auch der fervor regularis verweist eher auf eine innere Haltung als auf die
getreue Umsetzung neuer Gewohnheiten.
Der Ordo der burgundischen Abtei oder dessen in Saint-Bertin praktizierte Ver-
sion spielte dennoch eine nicht unbedeutende Rolle. Seine Einführung bedeutete
aber nicht zwangsläufig eine Substitution der überkommenen alten Gewohnheiten,
sondern, wie Simons Text betont, lediglich eine Rückkehr zu religio und disciplina
812 Simon, Gesta, II, c. 70, S. 649. Ob diese Rubrik tatsächlich von Simon stammt oder erst bei der Abschrift
des Textes in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts hinzugefügt wurde, lässt sich nicht ermitteln.
Auch wenn das Beispiel von Saint-Vaast zeigt, dass Simon mit ordo u. a. den ordo cluniacensis meinen
konnte, kann mit diesem Begriff auch schlicht und ergreifend die Ordnung, das heißt eine Rückkehr zu
geordneten Verhältnissen gemeint sein.