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Sellner, Harald [VerfasserIn]; Eberhard Karls Universität Tübingen [Grad-verleihende Institution] [Editor]
Klöster zwischen Krise und correctio: monastische "Reformen" im Hochmittelalterlichen Flandern — Klöster als Innovationslabore, Band 3: Tübingen, 2016

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.48960#0195
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4. Simons Gesta abbatum als Überrest der correctio | 191

Rolle. Vanderputten hat am Beispiel der Abteien von Auchy-les-Moines und
Bergues-Saint-Winnoc gezeigt, wie eng diese Gemeinschaften im 11. Jahrhundert
mit Saint-Bertin verbunden waren und wie sehr letztere darauf bedacht war, ihre
dominierende Rolle in der flandrischen Klosterlandschaft zu bewahren.816 Es nehme
daher nicht wunder, dass Lambert von Saint-Bertin zu allererst Auchy und Bergues
correctiones unterzogen hatte und damit in die inneren Angelegenheiten dieser Ge-
meinschaften eingriff, womit letztlich auch an die einstigen Verbindungen und Ab-
hängigkeiten erinnert werden sollte.817 Und dies spricht Simon explizit an, wenn
er sicher schönend daran erinnert, dass sich beide Abteien in der Vergangenheit
gegenseitig korrigiert hatten. Besonders augenscheinlich wird dies an der Wahl des
Thomas’, eines Mönchs von Sithiu zum Abt von Bergues.818
Mit dem Bericht über die correctiones von Saint-Vaast in Arras und Sint-Pieters
in Gent verhält es sich ganz ähnlich. Zwar bestand kein Abhängigkeitsverhältnis
zwischen diesen Abteien und Sithiu, aber sehr wohl eine gewisse Rivalität. Beide
Gemeinschaften waren wichtige gräfliche Abteien, die zudem in direkter Nach-
barschaft zu bedeutenden wirtschaftlichen Zentren standen, die wiederum immer
mehr in den Fokus der gräflichen Politik rückten.819 Sint-Pieters in Gent war als
bedeutende Grablege der gräflichen Familie bereits im 11. Jahrhundert die große
Rivalin von Saint-Bertin.820 Dass diese Gemeinschaft wie auch Saint-Vaast in Arras
eine correctio durch Mönche aus Sithiu erfahren hatte, war somit sichtbares Zeichen
für die spirituelle Vormachtstellung Saint-Bertins innerhalb der Grafschaft. Da Sint-
Pieters nun, wie Simon berichtet, selbst die correctio zahlreicher Klöster vorantrieb,
lässt erahnen, dass auch dies zu Spannungen und einer gewissen Rivalität beigetra-
gen haben könnte.821 Simon macht mit seinem Bericht aber unmissverständlich klar,
dass Sint-Pieters diese Stellung den Mönchen von Saint-Bertin verdankte.822
Die correctio von Saint-Remi in Reims dient ebenfalls dazu, zu zeigen, dass
von Saint-Bertin aus altehrwürdige und bedeutende Gemeinschaften eine Erneu-
erung erfuhren. Eine Besonderheit bei diesem Beispiel liegt allerdings darin, dass
816 S. Vanderputten, Crisis of Cenobitism, S. 264 -268, 271-274.
817 S. Vanderputten, Crisis of Cenobitism, S. 283.
818 1068 wählten die Brüder von Bergues-Saint-Winnoc erstmals einen Abt, der nicht aus Saint-Bertin kam.
Dazu S. Vanderputten, Crisis of Cenobitism, S. 276.
819 Siehe dazu oben S. 23.
820 Zur Rolle Sint-Pieters vgl. zusammenfassend S. Vanderputten, Crisis of Cenobitism, S. 260, 269; G. De-
clercq, Blandinum rond het jaar 1000; zur Funktion als Grablege vgl. G. Declercq, Entre memoire dy-
nastique et representation politique; B. Meijns, L’election d’une sepulture comme affirmation politique.
Zu Saint-Bertin als Grablege vgl. K. H. Krüger, Sithiu/Saint-Bertin als Grablege. Aber auch Saint-Vaast
in Arras fungierte als Grablege: 1111 wurde dort Robert IE beigesetzt.
821 Zu den von Sint-Pieters aus angestoßenen correctiones gehört jene von Egmond; dazu G. Declercq, Van
renovatis ordinis.
822 Zur Teilnahme Simons an der correctio von Sint-Pieters siehe oben S. 96.
 
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