4. Simons Gesta abbatum als Überrest der correctio | 197
dings alleine überlassen. Unterstützung fand er bei Gott, der immer wieder strafend
eingriff und die Mönche letztlich zur Besserung zwang. Simon veranschaulicht dem
Leser, wozu das Verhalten der Brüder führen konnte. Für ihn waren die Strafen
Gottes keinesfalls Zeichen für seine Abwendung von Sithiu, sondern vielmehr Zei-
chen seiner unerschöpflichen Liebe. So zitiert er beispielsweise aus der Bibel: »Ich,
der ich diese liebe, rüge und züchtige sie!« Gottes Strafe sei also keine Schmach, die
man leugnen müsse, sondern, wie Simon meint, fromm und gerecht.844 Während
die Strafen Gottes bei den Mönchen zu einer inneren Umkehr, zu Einsicht und
Läuterung führten, sorgte Rodericus mit der Regula Benedicti und seiner gravitas
morum für ein gottgefälliges Leben, das auf den inneren und äußeren Menschen
abzielte. Für Simon sind also die innere Haltung und ihre äußerlich sichtbare Rea-
lisierung entscheidend, die Benediktregel und die Persönlichkeit des Abtes lediglich
Mittel zum Zweck.
Welche Sünden der Mönche den Zorn Gottes hervorriefen, nennt Simon an ei-
ner Stelle ganz konkret: Angesichts der Seuche hätten die Brüder begonnen sich
gegenseitig ihre Sünden zu bekennen und füreinander zu beten. Sie holten all ihren
Eigenbesitz hervor, legten ihn vor die Füße des Abtes, entsagten allen schlechten
Dingen und verschrieben sich den guten.845 Nach Simons Darstellung war das sicht-
bare Vergehen der Brüder Eigenbesitz und somit ein allzu weltliches Leben. Eben
dieser Vorwurf begegnet dem Leser im zweiten Buch der Gesta erneut, wenn Simon
über die correctio seines Lehrers berichtet; der Vorwurf macht nicht nur deutlich,
dass der Kampf gegen Eigenbesitz ein zentrales Thema der correctio Lamberts war,
sondern auch, dass das erste Buch im direkten Eindruck dieser correctio verfasst
wurde.846
Abt Rodericus folgte ein gewisser Bovo im Amt nach. Sein besonderes Verdienst
lag darin, dass er den Wiederaufbau der Klosterkirche begonnen hatte und dabei die
Reliquien des heiligen Bertinus wiederentdeckte.847 Zudem habe er dafür gesorgt,
dass es seinem Kloster auch in Zukunft gut ging; dazu schickte er Boten nach Rom.
Diese erwirkten bei Papst Victor eine Urkunde über die Freiheit des Klosters und
844 Simon, Gesta, I, c. 5, S. 637: »Verumptamen non haec dominicae invectionis flagella cuiusquam aures
offendant, sed potius quicunque his se correxerint in suspectionem filiorum recipiendos congaudeant,
recolentes, quod sacra scriptura nos instruit: Flagellat Dominus omnem filium quem recipit, et quod
ipsa veritas proloquitur prophetae vaticinio: Ego quos amo arguo et castigo; et quid, quod ipse Dominus
evangelice intonat: Omnem palmitem qui fett fructum purgabit eum, ut fructum plus aff erat.«
845 Simon, Gesta, I, c. 5, S. 637: »Tune cernens illud apostolicum bene compleri: Confitemini alterutrum
peccata vestra et orate pro invicem, ut salvemini, nec minus omnes peculiaritatis reculas in medium
proferri, ante pedes domni abbatis Roderici exponi, digne penitudinis et lacrimarum fluentis rebaptizari
et, ut brevius concludam, his cunctisque malis abrenuntiari et Omnibus bonis inniti.«
846 Simon, Gesta, II, c. 62, S. 648.
847 Simon, Gesta, I, c. 11, 12, S. 638; K. Uge, Creating the Monastic Past, S. 72-90.
dings alleine überlassen. Unterstützung fand er bei Gott, der immer wieder strafend
eingriff und die Mönche letztlich zur Besserung zwang. Simon veranschaulicht dem
Leser, wozu das Verhalten der Brüder führen konnte. Für ihn waren die Strafen
Gottes keinesfalls Zeichen für seine Abwendung von Sithiu, sondern vielmehr Zei-
chen seiner unerschöpflichen Liebe. So zitiert er beispielsweise aus der Bibel: »Ich,
der ich diese liebe, rüge und züchtige sie!« Gottes Strafe sei also keine Schmach, die
man leugnen müsse, sondern, wie Simon meint, fromm und gerecht.844 Während
die Strafen Gottes bei den Mönchen zu einer inneren Umkehr, zu Einsicht und
Läuterung führten, sorgte Rodericus mit der Regula Benedicti und seiner gravitas
morum für ein gottgefälliges Leben, das auf den inneren und äußeren Menschen
abzielte. Für Simon sind also die innere Haltung und ihre äußerlich sichtbare Rea-
lisierung entscheidend, die Benediktregel und die Persönlichkeit des Abtes lediglich
Mittel zum Zweck.
Welche Sünden der Mönche den Zorn Gottes hervorriefen, nennt Simon an ei-
ner Stelle ganz konkret: Angesichts der Seuche hätten die Brüder begonnen sich
gegenseitig ihre Sünden zu bekennen und füreinander zu beten. Sie holten all ihren
Eigenbesitz hervor, legten ihn vor die Füße des Abtes, entsagten allen schlechten
Dingen und verschrieben sich den guten.845 Nach Simons Darstellung war das sicht-
bare Vergehen der Brüder Eigenbesitz und somit ein allzu weltliches Leben. Eben
dieser Vorwurf begegnet dem Leser im zweiten Buch der Gesta erneut, wenn Simon
über die correctio seines Lehrers berichtet; der Vorwurf macht nicht nur deutlich,
dass der Kampf gegen Eigenbesitz ein zentrales Thema der correctio Lamberts war,
sondern auch, dass das erste Buch im direkten Eindruck dieser correctio verfasst
wurde.846
Abt Rodericus folgte ein gewisser Bovo im Amt nach. Sein besonderes Verdienst
lag darin, dass er den Wiederaufbau der Klosterkirche begonnen hatte und dabei die
Reliquien des heiligen Bertinus wiederentdeckte.847 Zudem habe er dafür gesorgt,
dass es seinem Kloster auch in Zukunft gut ging; dazu schickte er Boten nach Rom.
Diese erwirkten bei Papst Victor eine Urkunde über die Freiheit des Klosters und
844 Simon, Gesta, I, c. 5, S. 637: »Verumptamen non haec dominicae invectionis flagella cuiusquam aures
offendant, sed potius quicunque his se correxerint in suspectionem filiorum recipiendos congaudeant,
recolentes, quod sacra scriptura nos instruit: Flagellat Dominus omnem filium quem recipit, et quod
ipsa veritas proloquitur prophetae vaticinio: Ego quos amo arguo et castigo; et quid, quod ipse Dominus
evangelice intonat: Omnem palmitem qui fett fructum purgabit eum, ut fructum plus aff erat.«
845 Simon, Gesta, I, c. 5, S. 637: »Tune cernens illud apostolicum bene compleri: Confitemini alterutrum
peccata vestra et orate pro invicem, ut salvemini, nec minus omnes peculiaritatis reculas in medium
proferri, ante pedes domni abbatis Roderici exponi, digne penitudinis et lacrimarum fluentis rebaptizari
et, ut brevius concludam, his cunctisque malis abrenuntiari et Omnibus bonis inniti.«
846 Simon, Gesta, II, c. 62, S. 648.
847 Simon, Gesta, I, c. 11, 12, S. 638; K. Uge, Creating the Monastic Past, S. 72-90.