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Sellner, Harald [VerfasserIn]; Eberhard Karls Universität Tübingen [Grad-verleihende Institution] [Editor]
Klöster zwischen Krise und correctio: monastische "Reformen" im Hochmittelalterlichen Flandern — Klöster als Innovationslabore, Band 3: Tübingen, 2016

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.48960#0209
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4. Simons Gesta abbatum als Überrest der correctio | 205

gewesen sein, der sich, wie das zweite Buch berichtet, seiner Verantwortung als Abt
für das Seelenheil seiner Mitbrüder bewusst geworden war.870
Fazit
Dem ersten Buch der Gesta abbatum Simons kommt demnach eine besondere Be-
deutung zu, da es nicht nur zu Lebzeiten Abt Lamberts verfasst wurde, sondern
auch durch eine bewusst vorgenommene und zielgerichtete Auswahl von res gestae
aus der Geschichte des Klosters dessen correctio maßgeblich unterstützte. Beson-
ders augenscheinlich wird dies zunächst in jenen Kapiteln, in denen der Chronist
auf die verschiedenen correctiones vergangener Zeiten verweist. Ein zentrales The-
ma, das das ganze erste Buch durchzieht, ist zweifelsohne die Strafe Gottes für die
Missstände und Untaten der Brüder und deren Unverbesserlichkeit. Simon gelingt
es dadurch in erster Linie, den zeitgenössischen Leser mahnend zur Besserung an-
zuhalten. Indem er aber darauf verweist, dass die Strafe keinesfalls als Zeichen der
Verdammung, sondern als Zeichen der Liebe Gottes zu deuten sei, gibt er den im-
mer wieder rückfällig werdenden Brüdern letztlich Hoffnung auf Besserung und
auf das ewige Heil. Als konkrete Missstände werden in diesem Text vor allem man-
gelnde Keuschheit und Eigenbesitz hervorgehoben, aber auch mangelnder Respekt
und Ungehorsam - Missstände, die Simon in seinem zweiten Buch klar benennt.
Die Darstellung der Äbte des 11. Jahrhunderts, die sich für die Wiederherstellung
der Disziplin, des Klosterbesitzes und der Gebäude einsetzten, zeigt immer wieder
auffallende Parallelen mit dem Bild, das Simon von Abt Lambert im zweiten Buch
zeichnet. Vor allem das Bild Abt Johannes’ L, also eines Abtes, der vielen Mön-
chen noch durchaus bekannt gewesen sein dürfte, spielt deutlich auf die Probleme
Abt Lamberts an und erinnert an eine recht harmonische Vergangenheit, in der das
Verhältnis zwischen Abt und Gemeinschaft in idealer Weise Bestand gehabt hatte.
All diese Befunde stützen Morelles These, dass Simon mit der Abfassung des
ersten Buchs der Gesta recht früh während des Abbatiats Lamberts begonnen ha-
ben muss. Da Simon in seiner Darstellung einen besonderen Akzent auf die ver-
heerenden Folgen von mangelnder Bereitschaft für eine correctio legte und mit der
Betonung von Armut, Keuschheit, Weltflucht und Gehorsam eher programmatisch
wirkt, dürfte ein Gutteil des ersten Buchs womöglich noch vor Lamberts correctio
verfasst worden sein. Das erste Buch sollte somit wohl ursprünglich den Mönchen
die Notwendigkeit einer correctio veranschaulichen und sie zu diesem Schritt be-
870 Simon, Gesta, II, c. 62, S. 648: »Timensque sibi, quod fratres sibi commissos dissolute et indisciplinariter
permisisset eatenus vivere [...].«
 
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