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Sellner, Harald [VerfasserIn]; Eberhard Karls Universität Tübingen [Grad-verleihende Institution] [Editor]
Klöster zwischen Krise und correctio: monastische "Reformen" im Hochmittelalterlichen Flandern — Klöster als Innovationslabore, Band 3: Tübingen, 2016

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.48960#0223
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219

II. Die Abtei von Marchiennes

Die Abtei von Marchiennes erfuhr zu Beginn des 12. Jahrhunderts eine schwere
Krise, die nur durch eine correctio überwunden werden konnte. Bereits die Zeit-
genossen bezeichneten die hierfür notwendigen und umfassenden Veränderungen
als correctio, die sowohl nach innen, als auch nach außen gerichtet war. In der mo-
dernen Forschung wird die »Reform« des Klosters vor allem mit der benachbarten
und weit jüngeren Abtei von Anchin in Verbindung gebracht: Mönche aus Anchin
waren maßgeblich an der correctio beteiligt und übten auch darüber hinaus großen
Einfluss auf die Abtei aus. Auch der zelus religionis der 1130er Jahre schlägt sich in
Marchiennes nieder und dies ohne Zweifel über die Abtei von Anchin: Marchiennes
gilt daher in der Forschung als eines jener Klöster, das zur »Reformbewegung« von
Anchin zu zählen ist. Es wird deshalb nach der Rolle und dem Einfluss Anchins bei
der correctio von Marchiennes zu fragen sein, aber auch danach, wie diese Abtei auf
eine aktive Einflussnahme von außen reagierte.
Aus der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts sind einige wichtige Quellen über-
liefert, die als Überreste der correctio von Marchiennes anzusehen sind und es er-
lauben, die unterschiedlichen Facetten der correctio zu beleuchten. Während eine
erste Phase der Textproduktion an den Beginn der correctio datiert, setzt mit den
Werken Galberts in der Zeit zwischen 1128 und 1130 eine zweite Phase ein - eine
Zeit, die vor allem von der Krise der Grafschaft (1127/28) geprägt war und schwere
Folgen für das Kloster hatte. Galberts Texte wurden in der Forschung vielfach,
dabei aber sehr selektiv betrachtet. Im Zusammenhang mit der correctio des Klos-
ters wurde vor allem den historiographischen Teilen größeres Interesse entgegen-
gebracht. Die Beschäftigung mit den Wunderberichten - und insbesondere mit den
Strafwundern - zielte in erster Linie auf die Frage ab, welche Strategien die Mönche
entwickelten, um ihren Besitz zu verteidigten. Die Wunderberichte Galberts wur-
den allerdings noch nie unter dem Blickwinkel der spirituellen Erneuerung der Ge-
meinschaft betrachtet. Diese Texte zeigen schließlich auch, wie kollektive Identität
geschaffen wurde und wozu sie diente.
 
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