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Sellner, Harald [VerfasserIn]; Eberhard Karls Universität Tübingen [Grad-verleihende Institution] [Hrsg.]
Klöster zwischen Krise und correctio: monastische "Reformen" im Hochmittelalterlichen Flandern — Klöster als Innovationslabore, Band 3: Tübingen, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.48960#0226
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222 | II. Die Abtei von Marchiennes

von Marchiennes eingetreten. Auch ihre Kinder hatten sich für dieses Leben ent-
schieden: Maurontus gründete das Kloster Breuil-sur-Lys, Clotsendis folgte ihrer
Mutter als Äbtissin nach, und Eusebia leitete die nahe gelegenen Gemeinschaft von
Hamage, eine Gründung Gertruds, der Großmutter Adalbalds, die in der Folgezeit
eng mit Marchiennes verbunden sein sollte.908
Die ersten Quellenbelege für die Existenz der Abtei von Marchiennes setzen
nicht vor der zweiten Hälfte des 9. Jahrhunderts ein. So berichten die Annales Ber-
tiniani, dass Karl der Kahle 876 seine Getreuen mit Klostergut aus Marchiennes
ausgestattet habe.909 In direktem Zusammenhang dazu steht mit Sicherheit eine Ur-
kunde desselben Herrschers vom 20. Juni 877, in der die Besitzungen der mensa
conventualis aufgezählt werden.910
Während der Normanneneinfälle zwischen 881 und 883 hatte das Kloster große
Schäden zu beklagen, was nicht zuletzt im Verlust der gesamten älteren Überliefe-
rung deutlich wird. Das gemeinschaftliche Leben in Marchiennes sollte sich aber
schon bald wieder von den Folgen der Normanneneinfälle erholen. Die Abfassung
der Vita Rictrudis Hucbalds im Jahr 907 war in diesem Kontext sicherlich ein wich-
tiges Element, half sie doch, den lokalen Heiligenkult wiederzubeleben und der
Gemeinschaft Identität zu stiften.911 Das nahegelegene Kloster von Hamage erholte
sich allerdings nicht mehr von den Normanneneinfällen und wurde ein Priorat von
Marchiennes.912 Im Verlauf des 10. Jahrhunderts hatte die Gemeinschaft mit der
Entfremdung von Klostergut durch Graf Arnulf den Großen zu kämpfen, was sich
in einer Urkunde König Lothars aus dem Jahr 975 widerspiegelt, in der die Resti-
tution des Dorfes Haines an Marchiennes bestimmt wurde.913
Ein wichtiger Einschnitt in der Geschichte von Marchiennes waren jene Ver-
änderungen zu Beginn des 11. Jahrhunderts, die in der Forschung als die »Reform
Richards von Saint-Vanne« bezeichnet werden. 1024 wurde Abt Leduin von Saint-
Vaast in Arras, ein Gefährte Richards, mit der Durchführung einer correctio und der
908 Zu Maurontus vgl. Vita Rictrudis, c. 23, 24, S. 499-500; zu Clotsendis, ebd., c. 32, S. 502, zu Eusebia,
ebd., c. 25, 27, S. 501-502. Über den weiteren Werdegang der Adalsendis erfährt man nichts. Zu Hamage
vgl. H. Platelle, Artikel »Hamage«, Sp. 199-200; E. Louis, Wandignies-Hamage.
909 Annales Bertiniani, a. 876, S. 134: »Domnus Imperator Karolus ad placitum suum in Salmontiaco, sicut
condixerat, venit, ibique homines de parte regni quondam Hlotharii [...] ad se post fugam de Andrunaco
venientes suscepit, et quibusdam abbatias sicut errant integras dedit, quibusdam de abbatial Martianas,
quam diviserat, beneficia donavit [...].«
910 Recueil des Actes de Charles le Chauve, Bd. 2, D 435, S. 471-475; Zweifel an der Echtheit der Urkunde
äußerte v.a. der Editor Georges Tessier (ebd., S. 472-473.). K. Uge, Creating the Monastic Past, S. 110
bemerkt hierzu: »In conclusion, although at first sight it seems unlikely that the charter could have been
transmitted through the eleventh Century, there are not enough elements to rule it out as a forgery.«
911 K. Uge, Creating the Monastic Past, S. 119.
912 E. Louis, Sorores et fratres, S. 15-47; Ders., Aux debuts du monachisme, S. 843-868.
913 Recueil des Actes de Lothaire et de Louis V, D 39, S. 93-94.
 
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