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Sellner, Harald [VerfasserIn]; Eberhard Karls Universität Tübingen [Grad-verleihende Institution] [Editor]
Klöster zwischen Krise und correctio: monastische "Reformen" im Hochmittelalterlichen Flandern — Klöster als Innovationslabore, Band 3: Tübingen, 2016

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.48960#0267
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4. Veränderungen in den Besitz- und Herrschaftsstrukturen | 263

studieren, um eine feste Mauer gegen all jene zu errichten, die durch Gericht oder
Gewalt an den Besitz anderer kommen wollen.«1099
Mit diesen Worten beschreibt die Histoire-Polyptyque die Situation, die Abt
Amand zu Beginn seiner Amtszeit vorfand. Vor allem die Wunderberichte Gal-
berts zeigen, dass die Usurpierung von Klostergut nicht nur von den benachbarten
Großen ausging, sondern auch von kleineren Amtsträgern, wie zum Beispiel den
Maiern des Klosters und nicht zuletzt von den umliegenden Klöstern wie beispiels-
weise Anchin oder Saint-Amand.1100
Eine Gruppe, von der eine besondere Bedrohung ausging und auf die die His-
toire-Polyptyque eigens eingeht, sind die Vögte der Abtei. So bemerkt der Verfasser
in Kapitel 20:
»Derjenige, der heute ohne es zu verdienen den ehrwürdigen Namen Vogt trägt,
nannte sich einst zu seinem Lob Verteidiger der Kirche, weil er voller Einsatz und
Wachsamkeit all das durch seine Weisheit, seine Vernunft und wenn nötig auch
durch Waffen verteidigte und schützte, was ihm gehörte: Er war nicht habgierig und
beutete die Schwachen nicht aus. Jene, die unter seinem Schutz standen, besaßen
alles, was sie konnten, ohne Angst haben zu müssen, es zu verlieren. Über jene von
heute habe ich aber gesagt: »Sie haben nicht das Recht Vogt genannt zu werden«,
denn es ist unwürdig diesen Titel zu benutzen, soweit man nicht gerufen wurde, um
den Schwächsten, die Unrecht erleiden, zu Hilfe zu eilen: Das macht nämlich einen
Vogt aus. Heutigen Tages ist die Ausführung dieses Amtes aber leider ins Gegen-
teil verkehrt: Keinem von denen, die sich beklagen, dass sie ihres kleinen Besitzes
1099 B. Delmaire, L’histoire-polyptyque, §2, S. 66: »Sunt namque nonnulli quibus non satis est quod sibi
jure competit, sed cupiditatis vitio illecti aliena diripere contendunt et, quamvis fundos largissimos
habeant et in plurimis provintiis diffusos ac dilatatos, tabernacula quoque eorum abundent opibus,
tarnen non cessant nisi aliis vim fecerint, non quiescunt nisi supplantaverint. In vicinos autem suos
plerumque sine causa insurgere conantur, de eorum silvestribus, de campestribus, de palustribus ter-
minis, de fluminum cursibus, de aquarum littoribus et eotenus pertrahunt earum rerum litigium donec
aliquando perveniatur sub judicaria potestate usque ad candentis ferri judicium. Oritur etiam frequen-
ter contentio et grandis rixa de agrorum limitibus, de decimis ^cclesiarum, de censuali conditione ab
altero, de possessione loci sub manu firma ad prefixum terminum constituta, de causis communibus in
beneficio aliquibus traditis vel c^teris hujusmodi. Ad h§c omnia sedanda ac rite componenda, veritas,
justitia et eorum qu§ fuerunt vel qu§ contigit forte evenisse recordatio certissima plurimum valent.
Oportet itaque ut universi quibus sua defendere et tueri justissimum constat annales veteres gestaque
antiquorum diligenter et memoriter recolant quatinus contra causidicos et violentos, alienorum appe-
titiores, validium defensionis mumm opponere queant.«
1100 Zu den Strafwundern der heiligen Rictrud vgl. Galbert, Miracula, II; eine detaillierte Analyse einiger
Fälle findet sich bei H. Platelle, Crime et chätiment. Zum Konflikt mit anderen Klöstern sei auf den
Fall von Saint-Amand verwiesen: Marchiennes habe nahe des Dorfes Brillon einige Felder, Wiesen und
Wälder besessen, auf die auch die Abtei von Saint-Amand Anspruch erhob. Diese sei bei dem daraus
erwachsenen Konflikt sogar bis zum Gottesurteil durch das glühende Eisen gegangen, was schließlich
ergeben habe, dass beide Klöster den Besitz gemeinsam zu nutzen hatten. B. Delmaire, L’histoire-
polyptyque, §24, S. 84.
 
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