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Sellner, Harald [VerfasserIn]; Eberhard Karls Universität Tübingen [Grad-verleihende Institution] [Editor]
Klöster zwischen Krise und correctio: monastische "Reformen" im Hochmittelalterlichen Flandern — Klöster als Innovationslabore, Band 3: Tübingen, 2016

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.48960#0288
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284 | II. Die Abtei von Marchiennes

eindeutig sühnenden und heilbringenden Charakter. Galbert bringt es in Verbin-
dung mit jenem besonders langen Fasten, das in Marchiennes durch die domestica
consuetudo Tradition hatte, und wertet diese damit klar auf.
Nach der Heilung des Triefauges sollte Fulchard noch einmal von Gott auf die
Probe gestellt werden. Diesmal befiel ihn eine Erkrankung der Hände, die sich vor-
wiegend durch Lähmungserscheinungen äußerte. Der Bruder habe große Schwie-
rigkeiten gehabt, Dinge in die Hände zu nehmen. Doch anstatt sich auf die irdische
Medizin zu verlassen, habe er auf die göttliche Medizin vertraut und die Fürsprache
der Heiligen erbeten.1172 Weit schmerzlicher als sein eigenes Schicksal sei für ihn al-
lerdings die Tatsache gewesen, dass er durch diese Erkrankung seinen Dienst für das
Kloster nur noch bedingt ausführen konnte.1173 Der Abt der Gemeinschaft hatte ihn
nämlich mit der Armen- und Pilgerfürsorge betraut, einem Dienst, den Fulchard
äußerst gehorsam ausgeübt hatte.1174 Seine Erkrankung habe ihn aber nicht daran
gehindert, sich in diesem Dienst dennoch nützlich zu erweisen. So habe sich der
Bruder beispielsweise um die nötigen Gefäße für die Armenspeisung gekümmert
und die Behältnisse, in denen man die Speisereste der Mönche sammelte, in das Re-
fektorium hinein und wieder heraus getragen. Mit seinen gelähmten Händen habe
er selbst weder etwas arbeiten noch essen können. Dennoch habe er es sich nicht
nehmen lassen, nach seinen Kräften Speisen an die Armen auszugeben.1175 Seine
Frömmigkeit und seine Güte, denen er mit großem Fleiß nachging, sollten aber Hil-
fe zur Folge haben, denn Gott habe ihm wieder Kraft in die Hände zurückgegeben.
Fulchard sei nämlich nicht ins Kloster gekommen, um bedient zu werden, sondern
um zu dienen. Er sei seinem Dienst treu gewesen und habe ihn nicht aufgeschoben.
Erst als der Bruder vom Wasser holen und Kochen müde wurde und bestimmte

1172 Galbert, Patrocinium, c. 2, S. 145B: »Nec illud oblivioni [dandum], imo ad laudem mediatoris Dei
& Domini nostri Jesu Christi frequentandum, quod non longo post tempore, [...] praedicti Fratris
manus indicibili morbo occupatae, cute consumpta & abstracta, nudis tantum ossibus videbantur pa-
tere. Videres ipsas manus quasi tinea demolitas, de albedine pertransire in croceum colorem; de cro-
ceo, subita permutatione vel etiam cutis exinanitione, in ruborem; nec minus de rubore in pallorem;
postremo rigescere, rimis findi, crebris pertusionibus hiare; versas in tumorem nunc fervescere, nunc
defervescere. Digiti dissoluti, & quasi ab invicem dissociati, nullum commercium inter se putabantur
habere. Dumque miro modo de qualitate in qualitatem alternatim fieret transitio, nec apponeretur, sed
negligeretur ab eo medicinae curatio; unum tarnen familiäre sibi erat refugium, scilicet in praesentia
Sanctorum devote fusa oratio.«
1173 Galbert, Patrocinium, c. 2, S. 145C: »Magis tarnen dolebat de Fratribus peregrinis, quam de se, quibus
in vicem Christi devote servitium solebat impendere.«
1174 Galbert, Patrocinium, c. 2, S. 145B: »[...] dum redditus incolumitati pristinae, pauperum curam exhi-
beret, catena ductus ad hoc obedientiae [...].«
1175 Galbert, Patrocinium, c. 2, S. 145C: »quorum supellectilia in diversis usibus non negligebat praevidere,
vasa ciborum etiam ad reliquias in refectorium, ac de refectorio ferre ac deferre. Sed licet manibus, ut
ajebant, paralysi insolita dissolutis, nullum opus posset exequi vel seipsum pascere; tarnen in deferendis
cibis refectioni pauperum non cessabat contractas manus offerre.«
 
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