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Sellner, Harald [VerfasserIn]; Eberhard Karls Universität Tübingen [Grad-verleihende Institution] [Editor]
Klöster zwischen Krise und correctio: monastische "Reformen" im Hochmittelalterlichen Flandern — Klöster als Innovationslabore, Band 3: Tübingen, 2016

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.48960#0294
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290 | II. Die Abtei von Marchiennes

zielt Galberts Werk auch hier erneut auf die Erbauung des Lesers ab. Ein erstes
Indiz hierfür ist der Aufbau des ganzen Werks, der, wie bereits angedeutet wurde,
nicht chronologisch sondern thematisch ausgerichtet ist. Wie im vorausgegangenen
Kapitel des Patrocinum stehen auch im dritten Kapitel der besondere Eifer und die
Beständigkeit Bruder Fulchards im Mittelpunkt.
So berichtet Galbert, wie bereits oben erwähnt, dass die Mönche des Klosters
in einen schweren Konflikt mit ihrem Abt Fulchard gekommen waren, weswegen
sie das Kloster verlassen hatten und wie die Gyrovagen durch die Gegend zogen.
Allein Bruder Fulchard, der zu diesem Zeitpunkt noch kein Mönch war, sondern
ein conversus, sei in Marchiennes zurückgeblieben.1191 Dort habe er an der Schwelle
zur Klosterkirche wie ein Eremit gelebt und Einsamkeit, Angst, Kälte, Nacktheit,
Hunger und Durst sowie Schlaflosigkeit ertragen, um die Kirche und die darin be-
wahrten Reliquien zu bewachen und alle Angriffe von ihr abzuwehren.1192
Die Bedrohung habe eine ganz reelle Dimension gehabt. Der Bruder habe sich
zunächst Tag und Nacht gegen jene Mitbrüder zur Wehr setzten müssen, die Abt
Fulchard zuvor aus dem Kloster ausgeschlossen hatte, da sie nicht bereit waren,
zur religio zurückzukehren.1193 »Sie beklagten sich nämlich darüber, dass sie, wie
sie sagten, durch tyrannische und ungerechte Herrschaft ausgestoßen wurden und
nun nicht mehr zu ihrem Eigenbesitz zurückkehren konnten.«1194 Da aber von den
äußeren Besitzungen des Klosters nichts mehr zu holen gewesen sei, habe ihr In-
teresse der Ausstattung des Klosters gegolten, doch auch diese habe ihnen nicht
gereicht.1195 Zudem taten sie sich mit einer Verordnung schwer, die einst von ihrem
Abt erlassen worden war. Demnach sei es jedem in der Nachbarschaft unter Stra-
fe verboten gewesen, einen dieser ausgestoßenen Mönche bei sich aufzunehmen.
1191 Galbert, Patrocinium, c. 4, S. 149C: »[...] a Fratre Fulchardo, tune Converso, postea incipiente reli-
gione statim religioso Monacho [...].«
1192 Galbert, Patrocinium, c. 3, S. 146D-E: »Erat enim Frater ille, de quo agimus, infra limina Apostolorum
Petri & Pauli, quasi in reclusione solitarius, tarn a suo, qui tune temporis erat fere solo-tenus nomine
Abbate, Fulchardo, quam a Fratribus ceteris, per diversa circumquaque loca gyrovagis & ab Abbate
suo discordantibus, derelictus; & ne dicam de sumptuosi obsonii, jam de quotidiani panis refectione
solicitus; solitudine, solicitudine, frigore, nuditate, & cum famis sitisque labore, vigiliarum assidui-
tate vehementer afflictus. Praeterea major instantia perurgebat eum, ecclesiae scilicet sub manu sua
commissa custodia; sed ante omnia Sanctorum pignorum, thesauri videlicet incomparabilis, pervigil
observantia.«
1193 Während Galbert in seinen Miracula berichtet, dass die Mönche das Kloster aus eigenem Entschluss
verlassen hatten, macht er hier deutlich, dass sie vom Abt aus der Gemeinschaft ausgeschlossen wur-
den.
1194 Galbert, Patrocinium, c. 3, S. 146E: »Fratrum quoque, quos partim sub banni interminatione, partim
Episcopali anathemate Abbas Fulchardus, antequam privaretur virg§ potestate, ab ipso coenobio ex-
cluserat, quia nolebant religioni cedere, tarn nocturna quam diurna persecutio. Dolebant siquidem,
tyrannica atque injusta dominatione, ut ajebant, expulsi, minus posse ad propria reverti.«
1195 Galbert, Patrocinium, c. 3, S. 146E: »[...] rebusque exterioribus quibuslibet infortuniis ad nihilum fere
redactis, illud paululum quod erat de interioribus in ecclesia residuum, non sibi ad libitum famulari;«
 
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