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Sellner, Harald [VerfasserIn]; Eberhard Karls Universität Tübingen [Grad-verleihende Institution] [Editor]
Klöster zwischen Krise und correctio: monastische "Reformen" im Hochmittelalterlichen Flandern — Klöster als Innovationslabore, Band 3: Tübingen, 2016

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.48960#0343
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2. Die restauratio der Abtei von Saint-Martin (1092-1105) | 339

In Hermanns Leben begann nun ein Abschnitt, der von großen Reisen und
Gesandtschaften geprägt war. Nach Gertrud Niemeyer unternahm Hermann zwi-
schen 1136 und 1138 eine Reise nach Spanien, die ihn nach Saragossa führte.1354 Im
Jahr 1142 beauftragte ihn das Kapitel von Tournai nach Rom zu reisen, um sich am
päpstlichen Hof für die Trennung des Doppelbistums Noyon-Tournai einzuset-
zen.1355 Nachdem er mit dazu beigetragen hatte, dass der Papst am 28. Dezember
1142 eine Bulle erlassen hatte, in der er sich für die Eigenständigkeit des Bistums
Tournai aussprach, kehrte er zu Beginn des darauffolgenden Jahres nach Tournai
zurück. Doch bereits kurze Zeit später wurde er aufgrund personeller Fragen bei
der Besetzung des Bischofsstuhls erneut nach Rom gesandt. Während Hermann
zwischen dem 11. April und dem 30. Mai auf die Entscheidung des Papstes wartete,
begann er, wie der Prolog zu seinem Liber de restauratione verrät, mit der Abfas-
sung seiner Klostergeschichte.1356 Im Jahr 1147 brach er zum Zweiten Kreuzzug
auf, von dem er allerdings nicht mehr zurückkehrte.1357 Im Nekrolog des Klosters
wird Hermanns Name am 30. Januar aufgeführt, sein genaues Todesjahr ist nicht
bekannt.1358
Hermann von Tournai wird eine große Zahl von historiographischen Schriften
zugesprochen.1359 Die meisten dieser Werke sind in jener Zeit entstanden, als in
de tout premier plan. Son attitude fut probablement assez semblable ä celle de son homonyme qui ä la
meme epoque troublait la communaute de Rolduc.« A. d’Haenens, Heriman de Tournai, S. 165 sieht
in den Spannungen in der Gemeinschaft Probleme der Regelobservanz und hält es für wahrscheinlich,
dass Hermann als Vertreter der cluniazensischen Observanz gegenüber den Vertretern einer weitaus
strengeren Lebensweise unterlegen war. »La personnalite d’Heriman ne se pretait guere ä d’excessives
rigueurs: il etait, pour cela, trop sensible, lui qui ne pouvait s’empecher de fondre en larmes ä la moindre
occasion [...]. Sous l’abbatiat d’Heriman, la communaute de Saint-Martin aurait donc vecu une tension
identique ä celle qui opposait cisterciens et clunisiens. Mais Heriman en divint malade, remit sa demis-
sion et quitta le couvent.« ebd. Auch wenn der Verweis auf Hermanns Charakter ein sehr zweifelhaftes
Argument ist, scheint mir d’Haenens Hinweis auf die Parteiung in der Gemeinschaft aufgrund von
Fragen der Observanz äußerst wichtig.
1354 G. Niemeyer, Die Miracula, S. 142-158.
1355 Hierüber berichtet Hermann, Liber, c. 113, S. 181-183. Hermanns Rundbrief hat Eingang in die Chro-
nik des Klosters gefunden. G. Waitz, Hermann von Tournai, S. 429-448 schreibt diesen Teil der Chro-
nik einem anonymen Fortsetzer zu.
1356 Zur Datierung der beiden Romreisen vgl. G. Niemeyer, Die Miracula, S. 150-152; A. d’Haenens, Heri-
man de Tournai, S. 167 hält eine dritte Romreise 1146 anlässlich der Wahl Anselms von Saint-Vincent
in Laon zum ersten Bischof von Tournai für wahrscheinlich. Zu Hermanns zweitem Romaufenthalt
und dem Redaktionsbeginn seines Werks vgl. Hermann, Liber, Epistola, S. 33.
1357 G. Niemeyer, Die Miracula, S. 158-161 geht der Frage nach, ob Hermann den Seeweg über Portugal
oder den Landweg genommen hat, und spricht sich mit plausiblen Argumenten für letzteren aus.
1358 U. Berliere, Le necrologe, S. 149.
1359 Aus der Feder Hermanns von Tournai stammt zudem der Traktat De incarnatione Jesu Christi Domi-
ni nostri (Hermann, De incarnatione), der in seinem Kern auf eine Predigt zurückging, die sein Lehrer
Odo jedes Jahr zu Weihnachten im Kapitel gehalten hatte. Da die Ausführungen des Abtes aber von
morgens bis zur sechsten Stunde gedauert hatten, Hermann noch jung war und längst nicht alles im
Gedächtnis behalten konnte, habe er nach bestem Wissen und Gewissen zusammengetragen, was er
noch wusste, und nur hinzugefügt, was er bei den Kirchenvätern gefunden habe. Als weitere Quelle für
 
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