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Sellner, Harald [VerfasserIn]; Eberhard Karls Universität Tübingen [Grad-verleihende Institution] [Editor]
Klöster zwischen Krise und correctio: monastische "Reformen" im Hochmittelalterlichen Flandern — Klöster als Innovationslabore, Band 3: Tübingen, 2016

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.48960#0346
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342 | III. Die Abtei Saint-Martin in Tournai

Charakter.1369 All diese Befunde lassen den Liber de restauratione als eine recht
typische Klosterchronik des 12. Jahrhunderts erscheinen.1370
Das zweite große historiographische Werk Hermanns sind die Miracula Sancte
Marie Laudunensis,1371 deren Autorschaft in der Forschung allerdings lange Zeit
stark umstritten war: Während die einen in frater Hermannus, wie sich der Autor
im Prolog nennt, Hermann von Tournai sahen, wollten die anderen in ihm Hermann
von Laon erkennen.1372 Nachdem bereits Niemeyer auf plausible und systematische
1369 Hermann verliert sich immer wieder in längeren Exkursen, die in Bezug zu besonders wichtigen As-
pekten stehen. So bietet ihm der Episkopat Odos Anlass, über den Investiturstreit und die Reichs-
geschichte zu schreiben (Hermann, Liber, c. 81-84, S. 135-140); nach dem Bericht der Übertragung
Saint-Martins an Odo und seine Gefährten folgt ein sehr ausführlicher Exkurs zur Geschichte des Gra-
fenhauses (ebd., c. 12-36, S. 49-75); die eigene Familiengeschichte durchzieht das gesamte Werk, was
bei der Schilderung der Bekehrung seiner Eltern besonders deutlich wird (ebd., c. 61-63, S. 106-114);
Visionen und Träume kommen immer wieder an wichtigen Wendepunkten vor: Vision Sigers (ebd.,
c. 38, S. 76-78), Traum Bernhards (ebd., c. 52, S. 94-95), Vision eines Eremiten (ebd., c. 57, S. 99),
Vision Radulfs (ebd., c. 66, S. 116-117), Gründungslegende (ebd., c. 43, S. 84-87); zu nahezu jedem
neuen Konversen notiert Hermann genauestens die getätigten Schenkungen (z. B. Konversion Hein-
richs und Berthas und ihrer Kinder ebd., c. 64, S. 114-115); bei einigen Mönchen nennt Hermann das
genaue Sterbedatum und präzisiert, ob derjenige einen guten oder einen schlechten Tod gestorben ist
(z. B. der Tod Gottfrieds, ebd., c. 76, S. 130-131).
1370 H. W. Goetz, Geschichtsschreibung, S. 281-320; K. Kastner, Historiae fundationum.
1371 Heriman, Les miracles.
1372 Heriman, Les miracles, S. 126: »Venerabili patri et domino suo, domno Bartholomeo, Dei gratia Lau-
dunensis urbis episcopo, frater Hermannus, omnium monachorum peripsema, summis pontificibus in
celesti sociari curia.« Eine genaue Nachzeichnung der Kontroverse findet sich bei G. Niemeyer, Die
Miracula, S. 136-163, besonders S. 136-141 und bei Heriman, Les miracles, S. 38-42: Zur Annahme,
dass ein Kanoniker aus Laon die Miracula verfasst haben könnte, veranlasste v. a. eine Passage im
Widmungsbrief Hermanns, in der es heißt, das Werk sei »sub nomine canonicorum eiusdem ecclesiae«
(Heriman, Les miracles, S. 128). So schrieb bereits Vinzenz von Beauvais, Speculum historiale, XXVII,
c. 12, dass die Miracula von Kanonikern aus Laon verfasst wurden, was in der Folgezeit Historiker,
wie A. de Florival, Etudes historiques zu dem Schluss führte, Hermann sei ein Kanoniker von Sainte-
Marie in Laon und zudem »l’un des disciples d’Anselm qui quitterent le chapitre pour le cloitre« (ebd.,
S. 89) gewesen. A. Stracke, Deken Herman, S. 252ff ist sogar der Meinung, dass Hermann aufgrund
seines besonderen Interesses für Norbert und seine Gründung Premontre zu einem seiner Gefährten
gehörte. L. d’Achery, Guiberti. Opera omnia sah 'm frater Hermannus jedoch keinen Kanoniker son-
dern einen Mönch. Auch C. Oudin, Supplementum de scriptoribus, S. 385 optierte für einen Autor
aus dem monastischen Bereich und vermutete ihn aus den Reihen der Mönche von Saint-Vincent in
Laon. Er hielt es zudem für durchaus denkbar, dass dieser frater Hermannus in der Folgezeit Abt
von Saint-Martin in Tournai wurde. Oudin ist somit der erste, der Hermann von Tournai mit der Au-
torschaft der Miracula in Verbindung bringt. Während Oudin Hermanns Herkunft in Saint-Vincent
vermutet, spricht sich die Histoire litteraire de France, Bd. 12, S. 279, 289 für das Kloster Saint-Jean
in Laon aus. Im 19. Jahrhundert verbreitete sich v. a. in der deutschen Mediävistik die Meinung, der
Autor der Miracula sei der Abt von Saint-Martin. So zunächst bei G. Waitz, Hermann von Tournai,
S. 431; Einleitung der Edition von Georg Waitz (MGH SS 14), S. 653, der diese These nicht zu bewei-
sen versuchte. Ein erstes Argument für die Autorschaft Hermanns von Tournai brachte ein Brief, den
dieser an Anselm von Saint-Vincent in Laon sandte. Neben den personellen Beziehungen wird aus die-
sem Brief auch ersichtlich, dass Hermann eine Reise nach Saragossa unternommen und Informationen
über den heiligen Vinzentius gesammelt hatte; vgl. dazu Hermann, Epistola de corpore S. Vincentii,
S. 243-247. Dieser Befund ließ auf deutscher Seite die Zweifel schwinden und so wurden die Miracula
von W. Wattenbach, Deutschlands Geschichtsquellen, Bd. 2, S. 155; M. Manitius, Geschichte der latei-
nischen Literatur, Bd. 3; A. Potthast, Wegweiser durch die Geschichtswerke, Bd. 1, 2, S. 588 Hermann
 
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