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Sellner, Harald [VerfasserIn]; Eberhard Karls Universität Tübingen [Grad-verleihende Institution] [Editor]
Klöster zwischen Krise und correctio: monastische "Reformen" im Hochmittelalterlichen Flandern — Klöster als Innovationslabore, Band 3: Tübingen, 2016

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.48960#0351
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2. Die restauratio der Abtei von Saint-Martin (1092-1105) | 347

Hermann berichtet nun in einem kleinen Exkurs, dass in der Zwischenzeit viele
vor allem arme Einwohner von Tournai am Mutterkornbrand erkrankt waren und
Zuflucht in der Kathedrale gesucht hatten. Da die Kanoniker sie allerdings aus dem
Gotteshaus verwiesen hatten und viele in der Folge gestorben waren, habe man
sie bei der verfallenen Martinskirche vor den Mauern der Stadt begraben. In der
Bevölkerung sei daher der Wunsch gewachsen, dieses Kloster wiederherzustellen
und der Leitung Odos zu übergeben. Eine Delegation der Bürger sei daraufhin vor
dem Bischof erschienen, habe ihm ihren Wunsch unterbreitet und versprochen, die
Bekehrten zu unterstützen.1391 Odo selbst habe allerdings wegen der großen Ar-
mut des Martinskirchleins Bedenken gehabt und sei erst davon überzeugt worden,
als Bischof Radbod ihm die Freiheit von jeglichen Abgabeleistungen zusicherte.1392
Nachdem schließlich der Widerstand der Kathedralkanoniker, die in der neuen
Gemeinschaft einen Rivalen fürchteten, dadurch hatte gebrochen werden können,
dass ihnen der Bischof das Beerdigungsrecht in Saint-Martin zusicherte, wurde das
Kloster am 2. Mai 1092 neu geweiht und Odo und seinen Gefährten übergeben.
Hiervon, so behauptet Hermann, zeuge eine Urkunde, die allerdings nicht erhalten
ist.1393
Odo und seine Gefährten lebten zunächst als Kanoniker unter der Regel des
heiligen Augustinus.1394 Da Saint-Martin jedoch immer häufiger mit den Übergrif-
fen der Kanoniker von Sainte-Marie zu kämpfen hatte, habe sich Odo auf Rat Abt
Aimerichs von Anchin dazu entschlossen, den Mönchsstand anzunehmen.1395 Die
Kirchenreform Dies., De pauperes Christi van Watten; Dies., Inaudita novitas canonici ordinis; Dies.,
Without were Fightings; Dies., Hirsau dans la plaine cotiere flamande?
1391 Hermann, Liber, c. 11, S. 46: »[...] videntes cives magistrum Odonem cum suis quinque clericis secu-
larem vitam veile relinquere necdumque quo ituri essent deliberasse, prefatum episcopum domnum
Rabodum adeunt et ut eos in eadem ecclesia remanere exhortaretur unanimiter deposcunt totiusque
civitatis auxilium eis non defuturum promittunt.«
1392 Hermann, Liber, c. 11, S. 47: »Tot tantisque sententiarum spiculis tandem magister devictus, ad ultimum
respondet se ibidem remansurum, si episcopali privilegio ab omni exactione libera sibi traderetur eadem
ecclesiola.«
1393 Hermann, Liber, c. 11, S. 48: »Episcopus itaque magnifice gratulatus, sequenti dominica, que fuit VI°
Nonas Maii, in crastino apostolorum Philippi et lacobi, congregata maxima processione canonicorum
totiusque populi, prefatum magistrum Odonem cum suis quinque clericis ad ecclesiam in honore sanc-
tissimi Christi confessoris atque pontificis Martini fundatam, que pro impetu barbarico olim facto,
amisso monachorum obsequio sibi sub abbate servientium, destructa fuerat, eos deducit eamque eis
liberam et episcopali privilegio confirmatam coram omnibus tradit, sicque eos ibidem sub regula sancti
Augustini canonice in habitu clericali Deo servituros dimisit.« Die genannte Urkunde von 1092 ist
nicht erhalten, stattdessen aber eine Bestätigungsurkunde von 1094; vgl. dazu A. d’Herbomez, Chartes,
D 1,S. 1-3.
1394 Hermann, Liber, c. 11, S. 48.
1395 Zu den Übergriffen der Kanoniker vgl. das Beispiel Alulfs von Tournai und seines Vaters Siger (Her-
mann, Liber, c. 38, S. 75 -78), siehe auch unten S. 351. Um Odo zu überzeugen, hielt Aimerich folgende
Rede, ebd., S. 76: »Vere, bone magister, idem vobis non solum de isto iuvene, sed etiam de aliis fratribus
vestris sepius continget, nisi monachi efficiamini. luxta urbem enim habitatis et facile fratres vestris
 
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