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Sellner, Harald [VerfasserIn]; Eberhard Karls Universität Tübingen [Grad-verleihende Institution] [Editor]
Klöster zwischen Krise und correctio: monastische "Reformen" im Hochmittelalterlichen Flandern — Klöster als Innovationslabore, Band 3: Tübingen, 2016

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.48960#0362
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3. Abt Segard und der Konflikt mit den
Kanonikern von 1108
Nach der Wahl Odos zum Bischof von Cambrai im Jahr 1105 betraute die Gemein-
schaft von Saint-Martin ihren Prior Segard mit der Leitung des Klosters. Aus seinem
Abbatiat sind einige Urkunden erhalten, die vor allem von einem wirtschaftlichen
Erstarken der Abtei zeugen.1437 Der Liber de restauratione liefert darüber hinaus
weitere Details, wie beispielsweise Segards beherzten Einsatz für die Armen wäh-
rend der großen Hungersnot von 1125/1126 oder seine Unterstützung Herberts,
des Archidiakons von Therouanne, bei der Wahl zum Bischof von Tournai (1113),
eines Kandidaten, der sich letztlich nicht gegen seinen Gegner Lambert behaupten
konnte.1438 Aus der Feder Bischof Lamberts ist sodann ein Brief an Segard erhalten,
der durchscheinen lässt, dass der Abt von Saint-Martin sein Kloster zwischenzeit-
lich verlassen hatte und nun vom Bischof zur Rückkehr oder aber zur Niederlegung
seines Amtes angehalten wurde.1439
Die allerdings größte Herausforderung Abt Segards war ohne Zweifel ein schwe-
rer Konflikt, der seit längerem zwischen seinem Kloster und den Kanonikern der
Kathedrale ausgetragen wurde und im Jahr 1108 eskalierte.1440 Hermann berichtet
hierüber ausführlich in seinem Liber de restauratione, dessen Tendenz bei der Dar-
stellung der Kanoniker von Sainte-Marie immer wieder deutlich zu erkennen ist.1441
Im Kern ging es bei diesem Konflikt darum, dass die Kanoniker den Mönchen das
Beerdigungsrecht absprachen. Nach Hermanns Zeugnis begannen sie nämlich da-
mit, den Mönchen zu verbieten, Tote aus der Stadt zu begraben, und behaupteten,
dass Saint-Martin keine Abtei sei, sondern eine abhängige Kapelle und dass die

1437 Vgl. dazu U. Berliere, Saint-Martin, Monasticon beige, S. 275-276; bei den meisten Urkunden han-
delt es sich um Schenkungen oder Bestätigungen von Schenkungen. A. d’Herbomez, Chartes, D 11,
S. 14-15, D 12, S. 15, D 21, S. 19-20, D 22, S. 20-21, D 23, S. 22, D 24, S. 22, D 25, S. 23, D 27, S. 24,
D 28, S. 25-26, D 29, S. 26-28, D 33, S. 32-33, D 34, S. 33-34, D 35, S. 35, D 36, S. 36-37, D 37,
S. 37-38, D 39, S. 39-41, D 40, S. 41-42, D 41, S. 42, D 42, S. 43, D 43, S. 44-45, Konflikte werden
angedeutet in ebd., D 30, S. 28-29, D 31, S. 29-31, D 38, S. 39.
1438 Zur Hungersnot vgl. Hermann, Liber, c. 102, S. 168; zur Bischofswahl und zu der damit verbundenen
Romreise Segards ebd., c. 97, S. 160-166.
1439 U. Berliere, Saint-Martin, Monasticon beige, S. 276.
1440 Zu diesem Konflikt vgl. A. d’Haenens, Moines et clercs.
1441 Besonders deutlich wird seine Tendenz bei der Schilderung des Mutterkornbrands und seiner Folgen
für die Armen (Hermann, Liber, c. 6, S. 42-44). An anderer Stelle (ebd., c. 11, S. 46-49) wird deutlich,
dass die Kanoniker in den Religiösen von Saint-Martin ernsthafte Rivalen sahen. Nach Hermann besa-
ßen die Kanoniker von Sainte-Marie Dokumente, Reliquien und Wertgegenstände aus dem alten Klos-
ter Saint-Martin, die dessen Alter beweisen würden, was diese aber bestritten (ebd., c. 44, S. 87-88).
 
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