Metadaten

Sellner, Harald [VerfasserIn]; Eberhard Karls Universität Tübingen [Grad-verleihende Institution] [Hrsg.]
Klöster zwischen Krise und correctio: monastische "Reformen" im Hochmittelalterlichen Flandern — Klöster als Innovationslabore, Band 3: Tübingen, 2016

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.48960#0368
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
364 | III. Die Abtei Saint-Martin in Tournai

Der anonyme Autor berichtet, dass Hugo nach einigen Jahren wieder in seine
Gemeinschaft zurückgekehrt sei und dort große Trübsal {tribulatio} und Schmerz
{dolor} vorgefunden habe. Viele hätten zudem den Namen Gottes gelästert. Dies sei
aber, so die Vita, wenig verwunderlich, da das Prinzip gelte »Wie der Vater, so die
Söhne!« Aufgrund des ungerechten Handelns des Abtes habe nämlich die Disziplin
in der Gemeinschaft nachgelassen.1464 Die wenig gastfreundlichen (inhospitalitatem
sectantes} Brüder sagten sich von der Beständigkeit und der Nächstenliebe los, ob-
gleich letztere der Weg zur Vollkommenheit war. Während all dies offen vor Augen
lag, habe es noch vieles gegeben, so der Verfasser, was im Verborgenen lag. Aber
bereits das äußerlich Sichtbare führte dazu, dass auch all jene in der Stadt, die der
Abtei bislang sehr zugeneigt gewesen waren, es nun ablehnten dort einzutreten.
Hugo habe daher immer wieder vergeblich versucht, Hermann zum Einlenken zu
bewegen oder seine Erlaubnis zu erhalten, das Kloster zu verlassen. Die übrigen
Mönche lehnten die Ratschläge Hugos allerdings beständig ab und wollten ihm
noch nicht einmal zuhören, da ihnen bereits sein Anblick unerträglich gewesen sei.
Dennoch versuchten die Brüder, mit Hugos Präsenz in der Gemeinschaft von ihrem
schlechten Lebenswandel abzulenken. Sie hofften, dass die schlechte Meinung der
Außenwelt durch Hugos guten Ruf überdeckt werden würde. Hugo habe sich da-
her dem Gebet gewidmet und den Rat vieler eingeholt, bis schließlich Abt Hermann
sein Amt niederlegte und ein anderer den Abtsstuhl bestieg.1465
Nach dem Zeugnis der Vita Hugonis war Hermann als Abt, wie bereits zuvor
als Prior, wenig erfolgreich.1466 Während ihn seine familiären Bande für dieses Amt
durchaus geeignet erscheinen ließen, deutet die Betonung seiner hohen Bildung da-
rauf hin, dass er sich, nicht anders als zuvor, lieber der intellektuellen Betätigung
zuwandte als der Leitung der Gemeinschaft.1467 Unter seiner Führung geriet das
1464 Vita Hugonis, c. 13, S. 336: »Rediens autem Hugo ad suos, tribulationem et dolorem invenit et nomen
Domini blasphemari per multos. Quid etenim? Si caput languidum et omne corpus märens. Domina-
tore inique agente, disciplin^ totius vigor emarcuerat, dum non erat qui foderet circa illam et mitteret
cophinum stercoris. Sed heus! Proh dolor! Qualis pater, tales filii.«
1465 Vita Hugonis, c. 13, S. 336: »Inhospitalitatem sectantes absque omni tenore, charitatem non habentes,
quod est vinculum perfectionis. Et hoc absque eo quod intrinsecus erat. Nam ista videntes foris dedi-
gnabantur intrare, etiam qui domum illam oppido diligebant. Quapropter Hugo frequenter hominem
convenire, secreto corrigere, ut se corrigeret, aut licere sibi egredi foras et ire alicuibi ubi viveret Deo.
Hi etenim qui suberant non modo facere qu§ dicebat, sed nec audire volebant eum, quibus grat’zs erat
etiam ad vivendum. At ille non apponebat cor, nec facile movebatur ad talia, quamvis pro scandaliza-
tis gravissime ustus scandalo eorum acerrime moveretur. Sed homo non acquiescebat dictis illius, sub
tegumento manus eius volens abscondi, credens quod suspicio mali aliquantulum tolleretur ab his qui
foris errant, propter eum qui intus erat et manebat cum eis, quem omnes sciebant virum esse iustum.
Quid plura? Non deficit oratione ad Dominum, prece ad omnes qui poterant subvenire consilio apud
ipsum, verbis et monitis salutaribus, donec ille cessit et alter qui dignus est in loco eius subrogatus fuit.«
1466 Hermann, Liber, c. 103, S. 171.
1467 Hermann, Liber, c. 103, S. 172.
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften