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Sellner, Harald [VerfasserIn]; Eberhard Karls Universität Tübingen [Grad-verleihende Institution] [Hrsg.]
Klöster zwischen Krise und correctio: monastische "Reformen" im Hochmittelalterlichen Flandern — Klöster als Innovationslabore, Band 3: Tübingen, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.48960#0383
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6. Der Liber de restauratione und die correctio von 1136 | 379

6.2. Conversi und pueri: Rudolf und Dietrich Osmund
Im Kontext einer correctio kam der Frage nach der inneren Gesinnung der Mönche
eine zentrale Bedeutung zu. Nur wer sein altes Ich und sein Umfeld vollkommen
hinter sich gelassen hatte, konnte sich dem Leben im Kloster mit Erfolg widmen.
Eben dies thematisiert Hermanns Chronik an einigen Konversionsberichten, die
zunächst die beiden großen Gruppen innerhalb der Gemeinschaft ansprechen, näm-
lich die conversi und die pueri. Innerhalb der Gruppe der conversi spricht er wiede-
rum Gruppen an, die in der Welt aus unterschiedlichen Milieus stammten.
Zu den wichtigsten Konversen des Klosters gehörten jene Personen aus den
höchsten gesellschaftlichen Schichten, die sich plötzlich zu einem gottgefälligen
Leben bekehrten. Dass Hermann diesen Konversen solch große Bedeutung bei-
maß, mag in bestimmtem Maße daran liegen, dass sie verwandtschaftlich oder in
irgendeiner anderen Form mit ihm und seiner Familie verbunden waren.1530 Dass
Hermann damit aber nicht ausschließlich die eigene ruhmreiche Familiengeschich-
te nachzeichnen wollte, wird deutlich, wenn man die ausführlichen Konversions-
berichte genauer betrachtet.1531
Der sicherlich wichtigste Bericht in Hermanns Liber befasst sich mit der Be-
kehrung seiner eigenen Familie. Sein Vater Rudolf Osmund hatte in der Welt das
hohe Amt des bischöflichen Vogtes von Tournai inne. Eines Tages sei er aber von
einem starken Fieber befallen worden und beinahe daran gestorben. Als er wie-
der gesund war, sei er heimlich zum Bruder seiner Frau, einem Mönch aus Saint-
Amand namens Walter, gegangen und habe mit ihm über seine Seele gesprochen.
Nach seiner schweren Krankheit und der Angst zu sterben, habe ihn nämlich die
Frage umgetrieben, wie er seine Seele retten könne. Die Kanoniker hatten ihm auf
diese Frage den Rat gegeben, seine Sünden zu beichten, den Leib des Herrn und
die letzte Ölung zu empfangen. Obgleich er diesem Rat gefolgt war, habe er nach
seiner Genesung die Last seiner Sünden gespürt. Ihm schien es nicht ehrlich zu sein,
seine Sünden zu bekennen, wenn man krank ist, und wieder zu sündigen, sobald
man genesen ist. Der Bruder sah für Rudolf nur in der Konversion zum Mönchtum
einen Ausweg aus dieser Situation.1532 Da er aber mit Mainsendis verheiratet war,
solle er diese um Erlaubnis bitten. Als seine Frau davon erfuhr, habe sie sich voller
1530 So nicht nur die Konversion der eigenen Familie, sondern auch die von Mitgliedern aus der Familie der
Avesnes und anderer.
1531 L. Nelson, The Restoration, S. 148 -162 verweist darauf, dass man den Liber de restauratione durchaus
als Hermanns Familiengeschichte ansehen kann.
1532 Hermann, Liber, c. 61, S. 106: »Feci quod consuluerunt, sed ubi convalui rursum me peccatis sentio
obligatum, et hoc michi non videtur vera esse Confessio, quando infirmor peccata confiteri, quando
convalesco peccatis herum sordidari.«
 
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