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Sellner, Harald [VerfasserIn]; Eberhard Karls Universität Tübingen [Grad-verleihende Institution] [Editor]
Klöster zwischen Krise und correctio: monastische "Reformen" im Hochmittelalterlichen Flandern — Klöster als Innovationslabore, Band 3: Tübingen, 2016

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.48960#0393
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6. Der Liber de restauratione und die correctio von 1136 | 389

chen oder Zehnte für seine Gemeinschaft anzunehmen.1565 Die Brüder sollten viel-
mehr von ihrer Hände Arbeit leben, von der Land- und Viehwirtschaft. Kirchliche
Einkünfte habe er gänzlich abgelehnt, weil diese nicht von Mönchen, sondern nur
von Klerikern besessen werden dürften. Hermann bemerkt, dass Odo auch diese
Ansichten aus den Vitae und Institutiones patrum schöpfte. Später habe er aber
von Mönchen, die in der Nähe der Stadt lebten, die man populäres oder saecula-
res nannte, gelernt, dass die Weisungen der Väter nicht in ihrer Ganzheit befolgt
werden können.1566 Auch im wirtschaftlichen Bereich zeigen sich in Odos Über-
zeugungen Parallelen zu vielen anderen Gründungen dieser Zeit. Dereine sieht so
beispielsweise deutliche Parallelen zu Citeaux, das allerdings erst einige Jahre später
gegründet wurde.1567
Rudolf habe Odo schließlich davon überzeugen können, Altäre, die dem Klos-
ter ohne Simonie gestiftet wurden, anzunehmen und damit der Praxis der anderen
Äbte zu folgen.1568 Offensichtlich hatte sich Odo vor dem Vorwurf der Simonie
gefürchtet, ein Vorwurf, der, wie Hermann berichtet, Bischof Radbod II. gemacht
wurde. Da er aber durch einen falschen Eid geschworen hatte, nicht durch Geld ins
Amt gekommen zu sein, sei er einen furchtbaren Tod gestorben.1569 Odos Angst
vor Simonie bezog sich in erster Linie auf die Inhaber der Pfründen, da auch deren
Einkünfte mit dem Makel der Simonie behaftet waren.
Das erinnerte propositum von Saint-Martin ist somit kein kohärentes Modell für
ein gottgefälliges Leben, sondern ein Phasenmodell, das dem Leser unterschiedliche
proposita vor Augen führt. Während die ersten beiden Modelle durchaus fromm
und lobenswert, aber auch realitätsfremd und schwer zu realisieren gewesen seien,
habe das dritte Modell die Gemeinschaft zum Erfolg geführt. Besonders auffallend
ist, dass Hermann dennoch großen Wert darauf legte, die beiden ersten Modelle
ausführlich zu beschreiben, und sie nicht mit Schweigen übergeht. Offensichtlich

1565 Auch darin kann eine Parallele zu den Zisterziensern gesehen werden, vgl. dazu Ch. Dereine, Odon de
Tournai, S. 137-154.
1566 Hermann, Liber, c. 67, S. 118: »[...] sed quia proposuerat nec altaria nec ecclesias vel decimas accipere,
sed solummodo de labore manuum suarum et de agricultura quadrigarum nutrimentisque pecorum
suorum vivere, nichil ex ecclesiasticis redditibus, que ipsi tenuerant, voluit habere, dicens talia non a
monachis sed solummodo a clercis possideri debere. Et hec quidem eius intentio vite et institutis mo-
nachorum antiquorum concordabat, postea vero cognovit a monachis iuxta urbem habitantibus, quos
populäres sive seculares quidam nominant, non ex toto antiquorum instituta posse servari.«
1567 Ch. Dereine, Odon de Tournai.
1568 Hermann, Liber, c. 73, S. 126: »Radulfus autem suasit domno abbati Odoni ut, si quis ecclesie nostre
vellet dare altaria sine simonia pro anima sua, non renueret ea more aliorum religiosorum abbatum
suscipere.«; über Radbods II. Tod vgl. auch E. de Moreau, La legende de la mort tragique, S. 3-7.
1569 Hermann, Liber, c. 72, S. 124-126.
 
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