404 | III. Die Abtei Saint-Martin in Tournai
einem anderen Teil der Stadt unter einer anderen Oberin angesiedelt.1619 Über das
Leben in diesen Frauengemeinschaften erfährt man nur am Rande, dass sie unter
einem sehr strengen Schweigegebot gelebt hatten und unter anderem damit beschäf-
tigt waren, Wolle zu spinnen.1620 Zudem wird deutlich, dass die Vorsteherinnen dem
Abt von Saint-Martin unterstanden und seinen Anordnungen Folge zu leisten hat-
ten.1621 Dass die Bindung der Frauengemeinschaft an jene der Männer auch wirt-
schaftlich sehr eng gewesen sein muss, zeigt sich an einer Passage, die dem Liber
de restauratione später beigefügt wurde. Es geht darin um die Folgen jener zweiten
durch die Misswirtschaft Odos verursachten Krise der Gemeinschaft. Odo sei näm-
lich nicht mehr in der Lage gewesen, die große Zahl von Frauen zu ernähren, und
habe ihnen deswegen erlaubt, ihr Kloster zu verlassen, um ihren Lebensunterhalt
selbst zu bestreiten. Sie hätten dies angenommen und seien gegangen. Das Geld, das
sie bei ihrem Eintritt gestiftet hatten, erhielten sie aber nicht zurück, da er alles für
die Armen oder die eigene Gemeinschaft verwendet hatte.1622 Diese Passage hebt
erneut die verheerenden Folgen der Misswirtschaft Odos hervor. Die Frauen, »die
er zu Gott führen wollte« und der Welt entsagt hatten, wurden von ihrem Abt wie-
der in die Welt zurückgeschickt, um zu überleben. Ob es sich dabei um alle Frauen
handelte, ist fraglich: Anzunehmen ist, dass ein Teil der Frauen zurückblieb, dar-
unter Mainsendis, die Mutter Hermanns. Sie stand nämlich auch noch in späterer
Zeit mit ihrem Sohn in regem Kontakt.1623 Zudem sollte man nicht vergessen, dass
die zweite Krise der Gemeinschaft durch das Organisationstalent Rudolfs nur von
kurzer Dauer war.
1619 Hermann, Liber, c. 68, S. 119: »Quamobrem considerans abbas domum lapideam, que quondam fuerat
supradicti Radulfi militis et quam ei veniens ad conversionem coniunx eius dederat, non parve esse
amplitudinis, distinctis in ea parietibus Oratorium, refectorium, dormitorium composuit et LX fere
mulieres conversas ibidem intromisit sororemque suam sanctimonialem nomine Eremburgem eis pre-
posuit.«
1620 Diesen Schluss lässt das Beispiel der Mainsendis zu, die gegen das Schweigegelübde verstoßen hatte.
Hermann, Liber, c. 68, S. 119; zum Spinnen von Wolle vgl. ebd., S. 120: » [...] Henricus, iam monachus
factus, iussu abbatis fascem magnum lini super caput suum deferens causa nendi, [...].«
1621 Dies lässt sich zumindest für Eremburg sagen, die den Anweisungen ihres Bruders Odo folgte; vgl.
Hermann, Liber, c. 68, S. 120.
1622 Diese Passage findet sich nur in drei Handschriften; vgl. den Variantenapparat zu Hermann, Liber,
c. 70, S. 123: »Unum tarnen tune accidit unde adhuc dolemus, quoniam domnus Odo, non valens re-
tinere multitudinem feminarum quam susceperat, licentiam dedit eis abeundi et victum querendi. Ille
autem, accepta licentia recesserunt, pecuniam tarnen, quam quedam ex eis dederant, eis non reddidit,
quoniam aut pauperibus donaverat aut in ecclesie usibus expenderat.«
1623 Zudem berichtet Hermann, Liber, c. 102, S. 170-171: »Mainsendis vero, quondam uxor eius, post mor-
tem Radulfi fere XII annis vixit completisque in sanctimoniali habitu plus quam XL annis presentem
vitam terminavit et in eodem cimiterio sepulta est.«
einem anderen Teil der Stadt unter einer anderen Oberin angesiedelt.1619 Über das
Leben in diesen Frauengemeinschaften erfährt man nur am Rande, dass sie unter
einem sehr strengen Schweigegebot gelebt hatten und unter anderem damit beschäf-
tigt waren, Wolle zu spinnen.1620 Zudem wird deutlich, dass die Vorsteherinnen dem
Abt von Saint-Martin unterstanden und seinen Anordnungen Folge zu leisten hat-
ten.1621 Dass die Bindung der Frauengemeinschaft an jene der Männer auch wirt-
schaftlich sehr eng gewesen sein muss, zeigt sich an einer Passage, die dem Liber
de restauratione später beigefügt wurde. Es geht darin um die Folgen jener zweiten
durch die Misswirtschaft Odos verursachten Krise der Gemeinschaft. Odo sei näm-
lich nicht mehr in der Lage gewesen, die große Zahl von Frauen zu ernähren, und
habe ihnen deswegen erlaubt, ihr Kloster zu verlassen, um ihren Lebensunterhalt
selbst zu bestreiten. Sie hätten dies angenommen und seien gegangen. Das Geld, das
sie bei ihrem Eintritt gestiftet hatten, erhielten sie aber nicht zurück, da er alles für
die Armen oder die eigene Gemeinschaft verwendet hatte.1622 Diese Passage hebt
erneut die verheerenden Folgen der Misswirtschaft Odos hervor. Die Frauen, »die
er zu Gott führen wollte« und der Welt entsagt hatten, wurden von ihrem Abt wie-
der in die Welt zurückgeschickt, um zu überleben. Ob es sich dabei um alle Frauen
handelte, ist fraglich: Anzunehmen ist, dass ein Teil der Frauen zurückblieb, dar-
unter Mainsendis, die Mutter Hermanns. Sie stand nämlich auch noch in späterer
Zeit mit ihrem Sohn in regem Kontakt.1623 Zudem sollte man nicht vergessen, dass
die zweite Krise der Gemeinschaft durch das Organisationstalent Rudolfs nur von
kurzer Dauer war.
1619 Hermann, Liber, c. 68, S. 119: »Quamobrem considerans abbas domum lapideam, que quondam fuerat
supradicti Radulfi militis et quam ei veniens ad conversionem coniunx eius dederat, non parve esse
amplitudinis, distinctis in ea parietibus Oratorium, refectorium, dormitorium composuit et LX fere
mulieres conversas ibidem intromisit sororemque suam sanctimonialem nomine Eremburgem eis pre-
posuit.«
1620 Diesen Schluss lässt das Beispiel der Mainsendis zu, die gegen das Schweigegelübde verstoßen hatte.
Hermann, Liber, c. 68, S. 119; zum Spinnen von Wolle vgl. ebd., S. 120: » [...] Henricus, iam monachus
factus, iussu abbatis fascem magnum lini super caput suum deferens causa nendi, [...].«
1621 Dies lässt sich zumindest für Eremburg sagen, die den Anweisungen ihres Bruders Odo folgte; vgl.
Hermann, Liber, c. 68, S. 120.
1622 Diese Passage findet sich nur in drei Handschriften; vgl. den Variantenapparat zu Hermann, Liber,
c. 70, S. 123: »Unum tarnen tune accidit unde adhuc dolemus, quoniam domnus Odo, non valens re-
tinere multitudinem feminarum quam susceperat, licentiam dedit eis abeundi et victum querendi. Ille
autem, accepta licentia recesserunt, pecuniam tarnen, quam quedam ex eis dederant, eis non reddidit,
quoniam aut pauperibus donaverat aut in ecclesie usibus expenderat.«
1623 Zudem berichtet Hermann, Liber, c. 102, S. 170-171: »Mainsendis vero, quondam uxor eius, post mor-
tem Radulfi fere XII annis vixit completisque in sanctimoniali habitu plus quam XL annis presentem
vitam terminavit et in eodem cimiterio sepulta est.«