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Sellner, Harald [VerfasserIn]; Eberhard Karls Universität Tübingen [Grad-verleihende Institution] [Editor]
Klöster zwischen Krise und correctio: monastische "Reformen" im Hochmittelalterlichen Flandern — Klöster als Innovationslabore, Band 3: Tübingen, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.48960#0418
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414 | III. Die Abtei Saint-Martin in Tournai

zu strahlen begonnen.1650 Die Quelle dieses neuen Lichts war Norbert von Xanten.
Er habe in der Diözese Laon seinen ersten Weinstock gepflanzt, der in der Nächs-
tenliebe wurzelte und sich über das ganze Land ausbreitete. All jene, die vom Wein
dieses Weinstockes getrunken hatten, seien betört und verlangten nichts anderes,
als Gott zu loben und ihm ein neues Lied zu singen. Sie legten den alten Menschen
und seine Taten ab und seien zu neuen Menschen, ja zum Abbild Gottes geworden.
Sie lehnten alles Eieischliche vollkommen ab, alles Vergangene haben sie vergessen
und schauten nur noch nach vorn. Obgleich sie körperlich auf Erden waren, hatten
sie bereits Anteil an den Freuden des Himmels. Dies zeige sich schließlich auch in
ihrem weißen Habit, worin sich die Reinheit ihrer inneren Tugenden spiegele.1651
Zudem führten sie ein Leben in Strenge und Stille, das man selbst in den strengsten
Klöstern nicht finden könne.1652 Für Hermann waren die Religiösen von Premontre
somit der Inbegriff eines heiligen und gottgefälligen Lebens.1653 Dass sie anderen
Regeltexten folgten, spielte keinerlei Rolle, da ihr propositum durch sein Ergebnis
überzeugte, was nicht nur qualitativ, sondern auch quantitativ zu fassen war: Voller
Begeisterung berichtet Hermann, dass sich Menschen aller Altersgruppen, beider
Geschlechter und unterschiedlicher sozialer Herkunft für diese Lebensweise ent-
schieden hätten. Der Ansturm der Bekehrten sei aber vor allem unter Hugo von
Fosse besonders groß geworden, denn schließlich seien mehr als tausend Bekehrte
an den verschiedenen Orten, die zu dieser Kirche gehörten, zu finden gewesen.1654
Hugo habe sich nämlich nicht nur auf das Bistum Laon beschränkt, sondern es den
Bienen gleich getan, die nicht nur im eigenen Bienenstock Honig machten, sondern
ausflogen, um andernorts ebenfalls Honig zu produzieren. Hugo habe also entlege-
ne Orte ausgesucht, um neue Klöster zu gründen und Brüder dorthin zu schicken.
Zudem habe er entschieden, dass die Äbte all jener Klöster, die seinen Regeln und
Geboten folgten, jedes Jahr am Fest des heiligen Dionysius in ihre Mutterabtei
kommen sollten, um am Generalkapitel teilzunehmen. Dort seien Angelegenheiten
von allgemeinem Interesse besprochen und verbessert worden, aber auch Angele-
1650 Heriman, Les miracles, III, c. 1, S. 200: »Quisque namque digne poterit referre quantus postmodum
in episcopatu Laudunensi, et de ipso per totum pene terrarum orbem fulgor religionis et novi luminis
refulserit?«
1651 Ebd.
1652 Heriman, Les miracles, III, c. 6, S. 214: »[...] ita ut hodie in diversis eiusdem ecclesie locis plusquam
mille videamus conversas tanto rigore et silentio Deo servire ut in districtissimis cenobiis monacorum
vix similem religionem possit aliquis invenire.«
1653 Heriman, Les miracles, III, c. 1, S. 200: »[...] cui etiam corpora sua exhibent hostiam viventem, sanc-
tam, Deo placentem, [...].«
1654 Heriman, Les miracles, III, c. 6, S. 214: »Non solum autem virorum sed etiam feminarum cohortes
idem Norbertus ad Deum convertere studuit, ita ut hodie in diversis eiusdem ecclesie locis plusquam
mille videamus conversas tanto rigore et silentio Deo servire ut in districtissimis cenobiis monacorum
vix similem religionem possit aliquis invenire.«
 
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