438 | IV. Die Abtei von Anchin
selige Stimmung im Kloster das Ihrige zu seinem Entschluss beigetragen haben.
Letztlich ist es nicht ganz auszuschließen, dass Gelduin selbst in die Ereignisse von
1110/1111 verstrickt war oder zu ihrer Entstehung beigetragen hat. Die aus seinem
Abbatiat überlieferten Briefe und Urkunden zeugen zudem unmissverständlich
davon, dass die Gemeinschaft von Anchin auch zu einer bedeutenden weltlichen
Größe gelangt war. Dies bedeutete nun zugleich, dass die Ideale der Gründerge-
neration gut dreißig Jahre nach der Gründung des Klosters nach und nach in den
Hintergrund gerückt waren. An ihre Stelle war ganz offensichtlich ein zunehmen-
des Interesse für rechtliche Fragen und Besitz Verhältnisse getreten.1743 Eben diese
Fragen stürzten die Abtei unter Abt Robert in die Krise.
Während Gerzaguet davon ausgeht, dass Robert sich der Politik der Oisy und
von Mons widersetzte und damit einen Großteil der Gemeinschaft gegen sich auf-
brachte, wäre ein ganz anderes Szenario gleichermaßen denkbar. Das Auctarium
nennt als Grund für Roberts Rücktritt die Tatsache, dass das ihm anvertraute Klos-
ter durch Drohungen der Laien Schaden genommen hatte. Dies zeigt doch klar, dass
Robert nicht in der Lage gewesen war, sich gegen die Ansprüche derer von Oisy
und von Mons zu wehren und ihnen eventuell Zugeständnisse machen musste. Dies
geschah auf Kosten der Mönche, was diese wiederum gegen ihren Abt aufbrach-
te.1744 Die erneute Wahl Gelduins lässt vermuten, dass die Mönche ihre Interessen
unter seiner Leitung besser gewahrt sahen. Da Gelduin das Amt ablehnte, wählten
die Brüder Alvisus, einen Mönch aus Saint-Bertin, dem es gelingen sollte, die Abtei
aus der Krise zu führen.
2.2. Alvisus von Anchin (1111-1131)
Über die Herkunft des Alvisus ist nahezu nichts bekannt. Während man im 18.
und 19. Jahrhundert noch davon ausgegangen war, dass er der Bruder Sugers von
Saint-Denis gewesen sei, konnte bereits Sproemberg zeigen, dass die Quellen-
befunde eine verwandtschaftliche Verbindung beider nicht zulassen.1745 Die For-
schung nimmt inzwischen an, dass Alvisus aus einer nichtadligen flämischen Fami-
lie stammte und bereits in jungen Jahren in das Kloster von Saint-Bertin eingetreten
ritati, quia quietem reclusionis nostrae turbare non vultis, multimodas gratias agimus et, ut super hoc
vos adjutorem et defensorem semper habeam, omnimoda prece obnoxius deprecamur.«
1743 Man denke nur an den Brief Anselms von Canterbury, der unter anderem auf diese Thematik eingeht;
siehe dazu oben Anm. 1720.
1744 VgL dazu das Beispiel Abt Lamberts von Saint-Bertin, der dem Vogt des Klosters Land, das zur mensa
conventualis gehörte, alsfeodum verlieh; vgl. dazu B. Guerard, Cartulaire, S. 244.
1745 Vgl. dazu H. Sproemberg, Alvisus, S. 25-31.
selige Stimmung im Kloster das Ihrige zu seinem Entschluss beigetragen haben.
Letztlich ist es nicht ganz auszuschließen, dass Gelduin selbst in die Ereignisse von
1110/1111 verstrickt war oder zu ihrer Entstehung beigetragen hat. Die aus seinem
Abbatiat überlieferten Briefe und Urkunden zeugen zudem unmissverständlich
davon, dass die Gemeinschaft von Anchin auch zu einer bedeutenden weltlichen
Größe gelangt war. Dies bedeutete nun zugleich, dass die Ideale der Gründerge-
neration gut dreißig Jahre nach der Gründung des Klosters nach und nach in den
Hintergrund gerückt waren. An ihre Stelle war ganz offensichtlich ein zunehmen-
des Interesse für rechtliche Fragen und Besitz Verhältnisse getreten.1743 Eben diese
Fragen stürzten die Abtei unter Abt Robert in die Krise.
Während Gerzaguet davon ausgeht, dass Robert sich der Politik der Oisy und
von Mons widersetzte und damit einen Großteil der Gemeinschaft gegen sich auf-
brachte, wäre ein ganz anderes Szenario gleichermaßen denkbar. Das Auctarium
nennt als Grund für Roberts Rücktritt die Tatsache, dass das ihm anvertraute Klos-
ter durch Drohungen der Laien Schaden genommen hatte. Dies zeigt doch klar, dass
Robert nicht in der Lage gewesen war, sich gegen die Ansprüche derer von Oisy
und von Mons zu wehren und ihnen eventuell Zugeständnisse machen musste. Dies
geschah auf Kosten der Mönche, was diese wiederum gegen ihren Abt aufbrach-
te.1744 Die erneute Wahl Gelduins lässt vermuten, dass die Mönche ihre Interessen
unter seiner Leitung besser gewahrt sahen. Da Gelduin das Amt ablehnte, wählten
die Brüder Alvisus, einen Mönch aus Saint-Bertin, dem es gelingen sollte, die Abtei
aus der Krise zu führen.
2.2. Alvisus von Anchin (1111-1131)
Über die Herkunft des Alvisus ist nahezu nichts bekannt. Während man im 18.
und 19. Jahrhundert noch davon ausgegangen war, dass er der Bruder Sugers von
Saint-Denis gewesen sei, konnte bereits Sproemberg zeigen, dass die Quellen-
befunde eine verwandtschaftliche Verbindung beider nicht zulassen.1745 Die For-
schung nimmt inzwischen an, dass Alvisus aus einer nichtadligen flämischen Fami-
lie stammte und bereits in jungen Jahren in das Kloster von Saint-Bertin eingetreten
ritati, quia quietem reclusionis nostrae turbare non vultis, multimodas gratias agimus et, ut super hoc
vos adjutorem et defensorem semper habeam, omnimoda prece obnoxius deprecamur.«
1743 Man denke nur an den Brief Anselms von Canterbury, der unter anderem auf diese Thematik eingeht;
siehe dazu oben Anm. 1720.
1744 VgL dazu das Beispiel Abt Lamberts von Saint-Bertin, der dem Vogt des Klosters Land, das zur mensa
conventualis gehörte, alsfeodum verlieh; vgl. dazu B. Guerard, Cartulaire, S. 244.
1745 Vgl. dazu H. Sproemberg, Alvisus, S. 25-31.