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Sellner, Harald [VerfasserIn]; Eberhard Karls Universität Tübingen [Grad-verleihende Institution] [Hrsg.]
Klöster zwischen Krise und correctio: monastische "Reformen" im Hochmittelalterlichen Flandern — Klöster als Innovationslabore, Band 3: Tübingen, 2016

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.48960#0456
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452 | IV. Die Abtei von Anchin

de der Schenkung sowie deren Bestätigung durch den Erzbischof lassen erkennen,
dass es sich hierbei um keine gewöhnliche Stiftung handelte. Dies mag nicht zuletzt
daran liegen, dass Gossuin von Avesnes der Sohn Hugos I. von Oisy, des Kastel-
lans von Cambrai, war. Wie bereits gezeigt wurde, hegten die Mönche aus Anchin
bereits 1111 Zweifel an der Dauerhaftigkeit der aus der Familie der Oisy getätigten
Stiftungen. Die Schenkung seines Sohnes Gossuin von 1115 und vor allem ihre Be-
stätigung durch den Erzbischof muss daher in diesem Kontext gesehen werden. Die
aufstrebende Familie derer von Oisy stellte eine latente Gefahr für den Besitz des
Klosters von Anchin dar, weswegen Alvisus die entsprechenden Vorkehrungen traf.
4.3. Die Beilegung von Konflikten
Nicht nur die Urkunden bezeugen, dass Alvisus ein Abt war, der sich in besonde-
rer Weise für den weltlichen Besitz seiner Gemeinschaft einsetzte, sondern auch
die Historia monasterii. Darin wird eine Geschichte erzählt, die sich zur Zeit des
Alvisus zugetragen haben soll. Ein Ritter aus der Gegend mit Namen Rainer sei in
das Land des Klosters eingefallen und habe dort bei Auberchicourt eine Burg er-
richtet, weswegen ihn Alvisus exkommuniziert habe. Rainer habe sich davon nicht
beeindrucken lassen, nahm an Schlechtigkeit zu und entbrannte täglich im Zorn
gegen den Abt. Eines Tages begegneten sich beide in besagtem Ort. Als Rainer den
Abt erblickte, habe er das Schwert gezogen, sei auf diesen mit furchtbaren Worten
losgegangen und habe ihn mit der Waffe bedroht. Da aber inzwischen die Zeit für
das Stundengebet gekommen war, habe Alvisus ohne Furcht und, ohne sich aus der
Ruhe bringen zu lassen, die Höre gesungen. Dies sei mit der Hilfe Gottes, aber auch
aufgrund seiner eigenen großen Gerechtigkeit geschehen. Nach dem Gebet rief er
zu Rainer: »Exkommunizierter verschwinde, ich fürchte weder Dich noch Deine
Drohungen.« Sogleich ließ Alvisus nach Anchin schicken und verordnete, dass man
dort ein Kruzifix auf Dornen legen solle. Wenig später habe der besagte Ritter ein
schreckliches Ende gefunden, was als klares Gottesurteil gedeutet wurde.1808
su§ Agnetis predicto monasterio legaliter, presente ejusdem loci fratrum conventu, astantibus multis
honestissimis personis fecit, scilicet de unaquaque domu totius castri Auesnis quattuor nummos singu-
lis annis in Nativitate Domini, sicut ipse Gozuinus eam in die consecrationis Lisciensis §cclesi§ coram
Teoderico ejusdem castri archidiacono ipsiusque loci abate et multa totius patri§ venerabilium virorum
nobelium et religiosorum turba recognovit, laudavit, concessit, et predicto cenobio omni propulsa
calumpnia perpetualiter tenendam quasi jure hereditario contradidit [...].«
1808 Historia, c. 5, S. 587: »Miles quidam, huius incola terrae, Raynerus nomine, possessiones Sancti Salva-
toris Aquicinctensis invaserat et per vim castellum quoddam in eadem possessione, quae apud villam
quae Obricicurtis dicitur, firmaverat. Quem abbas Alvisus excommunicavit et pro reatu suo a liminibus
sanctae matris ecclesiae sequestravit. Ille vero, excommunicationem parvipendens et in deterius pro-
 
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