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Sellner, Harald [VerfasserIn]; Eberhard Karls Universität Tübingen [Grad-verleihende Institution] [Hrsg.]
Klöster zwischen Krise und correctio: monastische "Reformen" im Hochmittelalterlichen Flandern — Klöster als Innovationslabore, Band 3: Tübingen, 2016

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.48960#0473
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5. Die zeitgenössischen Texte als Überreste der correctio | 469

gewisse Bewunderung für Alvisus kommen, lässt sich nicht mit Gewissheit sagen.
Nach Sproemberg war der Grund hierfür das Eintreten für dieselben monastischen
Ideale.1874
Fazit
Gleich zu Beginn des Abbatiates des Alvisus erhielt die Gemeinschaft von Anchin
ein großes historiographisches Werk, in dem die Geschichte des Klosters von An-
chin in Form des Audarium eingefügt war. Die Einträge des Audarium weisen
in ihrer Thematik auf eine corredio der Gemeinschaft hin. So erinnert der Text
nicht nur an die wohl in der Zwischenzeit in den Hintergrund gerückten eremiti-
schen Ideale der Gründergeneration, sondern zeichnet auch das Bild einer äußerst
harmonischen Gemeinschaft, in der Abt und Mönche in großer Eintracht lebten,
ein Bild, das sicherlich in Kontrast zu jener Situation stand, die Alvisus zu Beginn
seiner Amtszeit in Anchin vorfand. Das Audarium ruft die Mönche somit zunächst
dazu auf, zu einem gottgefälligen Leben zurückzukehren, das sich sowohl durch die
eremitisch-asketischen Ideale, als auch durch ein funktionierendes Gemeinschafts-
leben auszeichnet. Neben den Mönchen der ersten Stunde gilt vor allem Odo von
Tournai ein besonderes Interesse. Der berühmte Gelehrte, Asket und Charismati-
ker, der 1113 seine letzte Ruhestätte in Anchin gefunden hatte, war jedem Mönch
wohl bekannt und ein frommes Vorbild, mit dem sich jeder identifizieren sollte.
Dass Alvisus in Odo eine Gestalt sah, die seiner Gemeinschaft Identität stiften und
sicher auch Gegenstand eines Kultes werden sollte, wird dadurch ersichtlich, dass
er die von den Mönchen von Saint-Martin erhobenen Ansprüche auf die sterblichen
Überreste ihres ersten Abtes abwies. Die Person Odos hatte somit einen nicht un-
bedeutenden Anteil an der inneren corredio der Gemeinschaft von Anchin. Ab den
1130er Jahren tritt der Asket Aibert von Crespin als Identifikationsfigur hinzu. Sein
streng asketisches Leben steht einerseits stellvertetend für die in jener Zeit fassbaren
Bestrebungen nach einem strengeren klösterlichen Leben und andererseits für die
damit verbundenen Zweifel und Anfeindungen, wie sie unter anderem die abbates
comprovinciales zu erdulden hatten.
Die überlieferten Briefe Bernhards von Clairvaux zeugen vordergründig da-
von, dass Alvisus und der Abt von Clairvaux ein sehr enges und freundschaftliches
Verhältnis pflegten, das aber immer wieder auf die Probe gestellt wurde. Für die
Gemeinschaft waren diese Briefe aber nicht nur eine Freundschaftsbekundung zwi-

1874 Siehe dazu oben Anm. 1867.
 
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