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Sellner, Harald [VerfasserIn]; Eberhard Karls Universität Tübingen [Grad-verleihende Institution] [Editor]
Klöster zwischen Krise und correctio: monastische "Reformen" im Hochmittelalterlichen Flandern — Klöster als Innovationslabore, Band 3: Tübingen, 2016

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.48960#0479
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6. Die spirituelle Prägung der Gemeinschaft in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts | 475

ter als »Davidmeister« bezeichnet wird.1899 Seine Hand oder seinen starken Einfluss
erkennt man zudem in einer Daviddarstellung in der Handschrift Douai, ms. 315/1,
an welcher auch der »Gregoriusmeister« beteiligt war.1900 Die Ausschmückung der
Zeichnung »zeigt überraschende Affinitäten mit einigen späteren Denkmälern der
Buchmalerei von Citeaux«.1901
Ein letzter großer Illuminator aus Anchin wirkte in der Zeit nach Abt Gossuin,
wohl in den 1170er Jahren. Er ist der einzige, der namentlich bekannt ist. In einer
Initiale des De laude sanctae crucis des Hrabanus Maurus findet sich die Darstel-
lung zweier Mönche, deren Identität eine Notiz am Rande verrät: Neben Oliverus
pictor findet sich auch ein Rainoldus scriptor.™2 Interessant an dieser Initiale ist die
Darstellung der beiden Mönchsgestalten. Während Rainold einen schwarzen Habit
trägt, stellt sich Oliverus im weißen Habit dar. Dies wirft daher die Frage auf, ob
Oliverus denn tatsächlich ein Mönch aus Anchin war oder etwa dem Orden der
Zisterzienser (Prämonstratenser) angehörte. Bedenkt man, welche Bedeutung der
äußeren Form des Habits in jener Zeit beigemessen wurde, kann es kein Zufall sein,
dass sich Oliverus als »weißer Mönch« darstellt.1903 Da die Mönche von Anchin,
wie noch zu zeigen sein wird, eine große Affinität zu den Zisterziensern hatten, ist
es nicht von der Hand zu weisen, dass auch ein Zisterzienser im Skriptorium des
Klosters arbeitete. Der Name Oliverus taucht schließlich auch im Nekrolog der
Gemeinschaft auf und könnte durchaus diesen Illustrator bezeichnen.1904
Mit dem Abbatiat Simons I. (1174-1201) endete die Blütezeit des Skriptorium
von Anchin. Für die Bibliothek wurden zwar weiterhin neue Handschriften ange-
fertigt, aber diese erreichten nicht mehr die Qualität der vorigen Jahrzehnte und
wiesen keine Kontinuität auf. Anstelle von Werken, die sich durch einen gewach-
senen unverkennbaren Stil auszeichneten, traten nun Auftragswerke, welche von
Illustratoren verziert wurden, die auf der Durchreise nur kurze Zeit in Anchin ver-
brachten.1905
Das Skriptorium von Anchin erfuhr somit vor allem unter Abt Gossuin eine
wahre Blüte. Sein relativ langer Abbatiat sowie seine persönliche Gelehrsamkeit

1899 P. Cerny, Die romanische Buchmalerei, S. 52; Douai, BM, ms. 9.
1900 Dazu P. Cerny, Die romanische Buchmalerei, S. 60.
1901 P. Cerny, Die romanische Buchmalerei, S. 60.
1902 Douai, BM, ms. 340, fol. 9. Eine Abbildung dieser Initiale findet sich in P. Cerny, Die romanische
Buchmalerei, S. 56, Abb. 28.
1903 VgL zur Frage der Farbe des Habits beispielsweise Idung von Prüfening, Dialogus duorum monacho-
rum (R. B. C. Huygens, Le moine Idung).
1904 VgL dazu J. P. Gerzaguet, L’abbaye d’Anchin, S. 169. Der Name taucht am 14. Januar auf.
1905 P. Cerny, Die romanische Buchmalerei, S. 60.
 
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