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Sellner, Harald [VerfasserIn]; Eberhard Karls Universität Tübingen [Grad-verleihende Institution] [Hrsg.]
Klöster zwischen Krise und correctio: monastische "Reformen" im Hochmittelalterlichen Flandern — Klöster als Innovationslabore, Band 3: Tübingen, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.48960#0498
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494 | IV. Die Abtei von Anchin

Suche nach Helfern, die mit »unwissenden, hochmütigen, stolzen, unbeugsamen,
harten und gleichgültigen Mönchen« fertig wurden.1994 Besonders interessant ist im
Falle Saint-Crepins, dass sich der Abt nicht nur an die Abtei von Anchin wandte,
sondern an mehrere monasteria ordinata, um von dort fähige Männer zu erhalten.
Ob diese Suche in den anderen Klöstern vergebens war, lässt sich dem Text nicht
entnehmen. Das Beispiel von Saint-Remi macht eine Zusammenarbeit von Mön-
chen unterschiedlicher Herkunft durchaus wahrscheinlich. Nach dem Zeugnis
Simons von Saint-Bertin und Hermanns von Tournai hatten Mönche aus Saint-
Bertin einen großen Anteil an dieser correctio. Aus der Tatsache, dass Gossuin ei-
nige Jahre später zum Klaustralprior der Abtei berufen wurde, zu schließen, dass
das Werk der Mönche von Saint-Bertin ein Misserfolg war, ist wohl genauso wenig
richtig wie die Behauptung Simons, der große Erfolg der correctio von Saint-Remi
sei allein auf die Mönche aus Sithiu zurückzuführen.1995 Auch wenn die Vita prima
in ihrem hagiographischen Diskurs die Rolle Gossuins als Mönch hervorhebt, der
maßgeblich für den Erfolg der inneren correctio veranwortlich ist, lässt sie durch-
scheinen, dass die correctiones aller drei Klöster das Gemeinschaftswerk mehrerer
adjutores mit zum Teil unterschiedlicher Herkunft waren.1996 Welche Kriterien bei
der Wahl dieser idoneos adjutores von Bedeutung sein konnten, zeigt das Beispiel
Saint-Medards. Gottfried von Coucerf war, bevor er zum Abt von Saint-Medard
bestimmt wurde, zunächst Prior von Saint-Nicaise und dann Abt von Saint-Thierry
in Reims. Beide Häuser werden in der Forschung in Verbindung mit der »Reform«
von La Chaise-Dieu gebracht und seien spirituell stark von dieser geprägt wor-
den.1997 Nach der Vorstellung Hallingers müsste ein Abt seiner Gemeinschaft die
spirituelle Prägung seines Stammklosters geben und von dort Hilfe erhalten.1998
Im Falle Saint-Medards greift dieses Modell aber nicht. Nicht vollkommen
auszuschließen ist freilich, dass die Vita prima etwaige Hilfestellungen der beiden
Abteien in Reims verschweigt, um die Bedeutung Gossuins hervorzuheben. Ent-
scheidend ist jedoch, dass Gottfried das für die innere correctio der Gemeinschaft
so wichtige Amt des Klaustralpriors Gossuin anvertraute.1999 Dass seine Wahl auf
1994 R. Gibbon, Vita Gosuini prima, I, c. 16, S. 67: »[...] qui & indoctos scirent erudire, & rigidos curvarent,
frangerent superbos, & contumaces debellarent, emollirent duros, & revincerent contemptores.«
1995 Simon, Gesta abbatum, II, c. 103, S. 656 bemerkt zur correctio von Saint-Remi abschließend voller
Freude: »Sic Flandria Gallis rivulos propinavit religionis. «
1996 VgL auch den Fall Saint-Medards: R. Gibbon, Vita Gosuini prima, I, c. 17, S. 70: »Post haec cum non
multum temporis effluxisset, Abbas S. Medardi Gaufridus, qui postea Catalaunensem ornavit cathe-
dram, ad erectionem sui monasterii colligebat idoneos adiutores, [...].«
1997 Vgl. dazu P. R. Gaussin, L’abbaye de la Chaise-Dieu, S. 137, 310-311; Ders., Le rayonnement de la
Chaise-Dieu.
1998 K. Hallinger, Gorze-Kluny, S. 13.
1999 Zu diesem Amt vgl. A. Biendarra, J. Oberste, Der Prior bei den Cluniazensern, S. 139-171.
 
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