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Sellner, Harald [VerfasserIn]; Eberhard Karls Universität Tübingen [Grad-verleihende Institution] [Editor]
Klöster zwischen Krise und correctio: monastische "Reformen" im Hochmittelalterlichen Flandern — Klöster als Innovationslabore, Band 3: Tübingen, 2016

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.48960#0541
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3. Das gottgefällige Leben der Mönche | 537

In Saint-Bertin hingegen betont Simon immer wieder, dass die correctio der
Mönche nicht freiwillig und aus innerer Überzeugung, sondern mit Gewalt er-
zwungen wurde. Der Zwang zur Umkehr und Besserung wird von Simon aber
durchweg positiv bewertet, da nur dadurch die notwendigen Bedingungen für eine
innere correctio geschaffen werden konnten. Auf eben diese zielte Simons erstes
Buch der Gesta ab, das vor allem die Verinnerlichung bestimmter monastischer
Ideale hervorhob und dazu beitragen sollte, die Brüder für die spirituellen Leitideen
Sithius zu gewinnen. Die ebenfalls für Saint-Bertin nachgewiesene buchstabenge-
treue Befolgung des Ordos schließt somit das Prinzip der Freiwilligkeit und der
inneren Überzeugung nicht aus. Letzteres war, wie die Vita Gosuini prima aus
Anchin verdeutlicht, eines der wichtigsten Erfolgsrezepte für die innere correctio
eines Klosters.
Bei den untersuchten Klöstern handelt es sich sowohl um sehr alte Institutionen,
die auf eine lange Tradition zurückblicken konnten, als auch um jüngere Gründun-
gen, die im Kontext des religiösen Aufbruchs entstanden waren. Eine Kategorisie-
rung dieser Gemeinschaften in »Reformklöster«, »alte Klöster« oder »alte Klöster,
die sich den Reformanstößen geöffnet hatten« anhand der Frage nach Zwang oder
Freiwilligkeit und innerer Überzeugung ist für Flandern letztlich methodisch nicht
zielführend.2111 Unbestreitbar ist jedoch, dass eben diese Fragen in der Zeit um 1100
in den zeitgenössischen Texten vermehrt aufscheinen und an Bedeutung gewannen.
Dieser Diskurs blieb allerdings nicht auf jene Klöster beschränkt, die in der For-
schung in die Kategorie des »neuen« Mönchtums fallen, sondern war auch darüber
hinaus sehr weit verbreitet. Vor allem in Klöstern, die eine correctio erfahren hatten,
lässt er sich sehr deutlich fassen - und dies unabhängig davon, ob sie alte oder neue
Institutionen waren, ob sie einem Verband angehörten oder eigenständige Abtei-
en waren. Die Frage nach Freiwilligkeit oder Zwang ist daher ganz allgemein mit
der Frage verbunden, ob ein Kloster eine correctio erfahren hatte oder nicht. Das
Thema der Freiwilligkeit und Überzeugung spielte immer dann eine Rolle, wenn
es darum ging, institutionelle Stabilität zu schaffen. Eben dies versuchten nicht nur
die »neuen« Gemeinschaften im Rahmen größerer Verbände wie zum Beispiel den
Orden, sondern alle Klöster, die eine correctio erfuhren. Die Kategorie »der Reform
zugewandten alten Klöster« erweist sich vor allem dann als äußerst problematisch,
wenn mit »Reform« jene Institutionalisierungsprozesse gemeint sind, die man ge-
meinhin mit den Orden und der sogenannten »Dauerreform« verbindet.2112 Meint
2111 G. Melville, Die Welt, S. 165: »In den neuen Klöstern, die im 12. Jahrhundert dem Spektrum der re-
ligiösen Bewegungen entsprungen waren, aber durchaus auch in denjenigen unter den alten, die sich
mittlerweile den Reformanstößen geöffnet hatten [...].«
2112 G. Melville, Aspekte zum Vergleich, S. 153.
 
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