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Sellner, Harald [VerfasserIn]; Eberhard Karls Universität Tübingen [Grad-verleihende Institution] [Hrsg.]
Klöster zwischen Krise und correctio: monastische "Reformen" im Hochmittelalterlichen Flandern — Klöster als Innovationslabore, Band 3: Tübingen, 2016

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.48960#0543
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3. Das gottgefällige Leben der Mönche | 539

fenheit klösterlichen Lebens und nicht zuletzt für das Überleben der Gemeinschaf-
ten: Nur durch die vorsichtige Anpassung an lokale Gegebenheiten und spezifische
Situationen war die correctio einer Gemeinschaft erfolgreich und sicherte so ihre
Existenz.
All diese Folgerungen lassen sich in sechs Thesen zusammenfassen:
1. Die in der Zeit einer correctio verfassten erzählenden Texte dürfen als deren
Überreste angesehen werden. Sie hatten großen Anteil an der Vermittlung jener
klösterlichen Ideale, die für die Gemeinschaft von besonderer Aktualität und
Bedeutung waren.
2. Die erinnerten klösterlichen Ideale wurden so allgemein formuliert, dass sie
kaum Aussagekraft in Bezug auf die alltägliche klösterliche Praxis besitzen. Sie
verwiesen auf einen sehr allgemein gehaltenen monastischen Diskurs, auf spiri-
tuelle Leitideen weitester Art {religio, disciplina, oboedientia, caritas, silentium,
clausura etc.) und lassen damit sowohl die spirituelle Offenheit des Mönchtums
jener Zeit erkennen als auch die Spielräume, die es bei der Umsetzung einer
correctio gab.
3. Das gottgefällige Leben der Mönche wurde auf vielfältige Weise vermittelt und
schöpfte aus den unterschiedlichsten Quellen (unterschiedliche Regeltexte, Con-
suetudines, Schriften Gregors des Großen, Evangelien etc.). Durch Performanz
tradierte Verhaltensweisen spielten dabei eine ebenso wichtige Rolle wie jene
Lebensentwürfe, die durch normative Texte, aber auch durch eine Vielzahl an-
derer Schriften vermittelt wurden. Eben dies zeigt, wie vielfältig die spirituellen
Einflüsse auf eine religiöse Gemeinschaft waren.
4. Wie offen eine Gemeinschaft jeweils mit derartigen Inspirationsquellen umging,
hing von verschiedenen Faktoren ab: von ihrem spirituellen und intellektuel-
len Milieu, davon, welche Anstrengungen sie unternommen hatte, um an diese
Quellen (z.B. die Gewohnheiten von Cluny) zu gelangen, und schließlich auch
von den Interessen ihres sozialen Umfelds.
5. Die Verinnerlichung spiritueller Leitideen ist ein allgemeiner Diskurs, der in
der Zeit des monastischen Aufbruchs um 1100 in jeder Gemeinschaft zu fassen
ist, die eine correctio erfahren hatte. Die Verinnerlichung und das Prinzip der
Freiwilligkeit sind keine Kriterien, die eine Unterscheidung zwischen »traditio-
nellem« und »neuem« Mönchtum erlauben.
6. Die discretio ist im Zusammenhang mit der correctio eines Klosters ein zentraler
Begriff: Er lässt auf einen besonders großen Spielraum der Mönche und Äbte bei
der Umsetzung von Veränderungen schließen.
 
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