5. »Klosterreform« und Filiationsmodell | 547
censis in andere Gemeinschaften trugen. Derartige Darstellungen beförderten eben-
falls die Vorstellung, »Reformen« verbreiteten sich durch Gruppen von Mönchen,
die einen neuen Ordo in Gemeinschaften einführten und dadurch die spirituelle
Ausrichtung dieser Empfängerklöster maßgeblich prägten. Das Beispiel der Gesta
abbatum Simons illustriert auf besonders anschauliche Weise, welche Probleme
derartige Darstellungen aufwerfen. Zunächst konnte gezeigt werden, dass Simon
bei der Auswahl seiner Beispiele sehr bewusst vorgegangen war, um die herausra-
gende Stellung seiner Gemeinschaft innerhalb der flandrischen Klosterlandschaft
zu betonen. Mit der Durchführung der correctio waren nach Simons Schilderung
ausschließlich Mönche aus Sithiu beschäftigt. Eine mögliche Beteiligung von Mön-
chen weiterer Klöster, wie dies in anderen Beispielen gezeigt werden konnte, wird
verschwiegen. Simons Fokus liegt ferner besonders auf dem spirituellen Aspekt
der correctio. Dass die correctio eines Klosters in der Praxis weit über die Wieder-
herstellung von religio et disciplina hinausging, haben die vier behandelten Fall-
beispiele deutlich auf gezeigt. In den allerwenigsten Texten werden jedoch auch die
übrigen Seiten einer correctio beleuchtet; wenn überhaupt, wurde sie nur pauschal
mit dem Hinweis auf die äußeren Angelegenheiten erwähnt. Ein Hauptproblem
der zeitgenössischen Texte ist somit die Perspektive, aus der ihre Autoren auf die
correctio von Gemeinschaften blickten, aber auch die Zielsetzung solcher Berichte,
die letztlich vor allem dem Ruhm der eigenen Abtei verschrieben waren.
Ein weiteres Problem sind die bereits an anderer Stelle erwähnten Begriffe, mit
denen die spirituelle Erneuerung der Gemeinschaften umschrieben wurde. Religio,
disciplina, caritas, oboedientia, um nur einige wenige zu nennen, sind so unspezi-
fische Begriffe, dass sie keinesfalls dazu verwendet werden können, Aussagen über
eine vermeintlich ähnliche spirituelle Ausrichtung von Gemeinschaften zu treffen
und daraus Filiationsstränge zu konstruieren.
5.2. Das gescheiterte Modell der Filiation
Für den Raum Nordfrankreichs und der Grafschaft Flandern der 1130er Jahre lässt
sich die correctio von Klöstern in Ansätzen nach dem Filiationsmodell beschreiben.
Die jährlich tagenden Generalkapitel erhoben den Anspruch, das Mönchtum zu
vereinheitlichen und zu kontrollieren: Ein gemeinsam beschlossener Ordo wurde in
zahlreiche Gemeinschaften getragen und zudem durch eine gezielte Personalpolitik
untermauert. Vor allem das Beispiel von Lobbes veranschaulicht dies besonders
eindrücklich: Die abbates comprovinciales setzten mit Leonius von Anchin einen
Mönch auf den Abtsstuhl, der ihrem Vorhaben durchaus verbunden war und auch
die erzwungene Einführung des ordo cluniacensis maßgeblich unterstützte. Die Ge-
censis in andere Gemeinschaften trugen. Derartige Darstellungen beförderten eben-
falls die Vorstellung, »Reformen« verbreiteten sich durch Gruppen von Mönchen,
die einen neuen Ordo in Gemeinschaften einführten und dadurch die spirituelle
Ausrichtung dieser Empfängerklöster maßgeblich prägten. Das Beispiel der Gesta
abbatum Simons illustriert auf besonders anschauliche Weise, welche Probleme
derartige Darstellungen aufwerfen. Zunächst konnte gezeigt werden, dass Simon
bei der Auswahl seiner Beispiele sehr bewusst vorgegangen war, um die herausra-
gende Stellung seiner Gemeinschaft innerhalb der flandrischen Klosterlandschaft
zu betonen. Mit der Durchführung der correctio waren nach Simons Schilderung
ausschließlich Mönche aus Sithiu beschäftigt. Eine mögliche Beteiligung von Mön-
chen weiterer Klöster, wie dies in anderen Beispielen gezeigt werden konnte, wird
verschwiegen. Simons Fokus liegt ferner besonders auf dem spirituellen Aspekt
der correctio. Dass die correctio eines Klosters in der Praxis weit über die Wieder-
herstellung von religio et disciplina hinausging, haben die vier behandelten Fall-
beispiele deutlich auf gezeigt. In den allerwenigsten Texten werden jedoch auch die
übrigen Seiten einer correctio beleuchtet; wenn überhaupt, wurde sie nur pauschal
mit dem Hinweis auf die äußeren Angelegenheiten erwähnt. Ein Hauptproblem
der zeitgenössischen Texte ist somit die Perspektive, aus der ihre Autoren auf die
correctio von Gemeinschaften blickten, aber auch die Zielsetzung solcher Berichte,
die letztlich vor allem dem Ruhm der eigenen Abtei verschrieben waren.
Ein weiteres Problem sind die bereits an anderer Stelle erwähnten Begriffe, mit
denen die spirituelle Erneuerung der Gemeinschaften umschrieben wurde. Religio,
disciplina, caritas, oboedientia, um nur einige wenige zu nennen, sind so unspezi-
fische Begriffe, dass sie keinesfalls dazu verwendet werden können, Aussagen über
eine vermeintlich ähnliche spirituelle Ausrichtung von Gemeinschaften zu treffen
und daraus Filiationsstränge zu konstruieren.
5.2. Das gescheiterte Modell der Filiation
Für den Raum Nordfrankreichs und der Grafschaft Flandern der 1130er Jahre lässt
sich die correctio von Klöstern in Ansätzen nach dem Filiationsmodell beschreiben.
Die jährlich tagenden Generalkapitel erhoben den Anspruch, das Mönchtum zu
vereinheitlichen und zu kontrollieren: Ein gemeinsam beschlossener Ordo wurde in
zahlreiche Gemeinschaften getragen und zudem durch eine gezielte Personalpolitik
untermauert. Vor allem das Beispiel von Lobbes veranschaulicht dies besonders
eindrücklich: Die abbates comprovinciales setzten mit Leonius von Anchin einen
Mönch auf den Abtsstuhl, der ihrem Vorhaben durchaus verbunden war und auch
die erzwungene Einführung des ordo cluniacensis maßgeblich unterstützte. Die Ge-