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Sellner, Harald [VerfasserIn]; Eberhard Karls Universität Tübingen [Grad-verleihende Institution] [Editor]
Klöster zwischen Krise und correctio: monastische "Reformen" im Hochmittelalterlichen Flandern — Klöster als Innovationslabore, Band 3: Tübingen, 2016

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.48960#0553
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5. »Klosterreform« und Filiationsmodell | 549

großen Teil darin begründet, dass ihr Agieren den lokalen Verhältnissen und dem
sozialen Umfeld der betroffenen Klöster nicht genügend Rechnung trug.2129 Diese
Erkenntnis macht deutlich, dass das Phänomen der correctio nur mit einem alter-
nativen Modell zu jenem der Filiation adäquat beschrieben werden kann. Dies gilt
umso mehr für die Zeit vor den Generalkapiteln der 1130er Jahre.
5.3. Ein Gegenmodell
Die vier Fallbeispiele, die dieser Arbeit zugrunde liegen, haben gezeigt, dass die
correctio einer Gemeinschaft komplexe Vorgänge verbindet: Neben einer Vielzahl
von beteiligten Akteuren sei hier noch einmal an die zahlreichen Veränderungen
innerhalb und außerhalb des Klosters erinnert. Die correctio einer Gemeinschaft
zielte im Kern stets auf die Überwindung einer institutionellen Krise ab, die vor
allem auf ein gestörtes Verhältnis des Klosters mit seinem sozialen Umfeld zurück-
zuführen war. Die correctio diente dazu, eben diese Beziehungen zu normalisieren
und zum Teil auch zu transformieren (so zum Beispiel die Beziehungen mit den
Dienstleuten des Klosters).2130
Das vorherrschende Filiationsmodell, das seinen Blick vor allem auf den Aus-
tausch von Mönchen und Ordines richtet, muss daher gegen ein weit offeneres
Modell ersetzt werden. Bereits für den spirituellen Bereich gaben die vier behan-
delten Klöster zu erkennen, dass sich die innere correctio einer Gemeinschaft auf
mannigfaltige Einflüsse zurückführen lässt. Zweifelsohne erhielt eine Gemeinschaft
von den aus einem anderen Kloster kommenden Mönchen wichtige Impulse. Diese
Gruppe war in vielen Fällen allerdings nicht die einzige, die im Lauf einer correctio
in der betroffenen Gemeinschaft agierte, und setzte sich zudem auch nicht zwangs-
läufig aus Mönchen ein und desselben Klosters zusammen. Zudem lassen sich auch
unabhängig von diesen Gruppen einzelne Mönche nachweisen, die aus anderen die-
ser Gemeinschaft nahestehenden Klöstern stammten. Der Kontakt mit Eremiten
und Inklusen war letztlich ebenso wichtig wie der mit Kanonikern.
Die spirituellen Einflüsse beschränkten sich nicht allein auf den vielfältigen Aus-
tausch mit Personen und Gemeinschaften unterschiedlichster Art, sondern umfass-
ten auch den Austausch von Büchern, der in vielen Fällen gleichermaßen von einer
enormen Vielfalt der Interessen und Vorlieben zeugt. Das spirituelle Milieu jeder
Gemeinschaft ist somit im Einzelnen zu betrachten; es regulierte die Empfänglich-
keit der Mönche für Neuerungen. In Saint-Martin trug beispielsweise das kanoni-

2129 S. Vanderputten, A Time of Great Confusion, S. 59.
2130 S. Vanderputten, Fulcard’s Pigsty.
 
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