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Vorwort des Herausgebers

trr&erWertreKeilschrifttexte ausAssur literarischen Inhalts (KAL)
ist den nur bruchstückhaft erhaltenen Tontafeln mit Werken und
Schriften der sog. Beschwörungskunst (äsipütu) eine Folge von
Bänden vorbehalten, die den Untertitel Ritualbeschreibungen
und Gebete trägt. Die ersten beiden erschienen 2011 (S. M. Maul.
R. Strauß. Ritualbeschreibungen und Gebete I. KAL 4) und
2017 (W. Meinhold. Ritualbeschreibungen und Gebete II.
KAL 7). Nun folgt mit dem neunten Band der Keilschrifttexte
aus Assur literarischen Inhalts der dritte Teil. In dem Werk aus
der Feder von Stefan Jakob werden insgesamt 74 kleinere und
größere Tontafelbruchstücke aus mittel- und neuassyrischer Zeit
vorgelegt, von denen die weitaus meisten hier zum ersten Mal
bekannt gemacht werden.
Ein beachtlicher Teil der in KAL 9 veröffentlichten
Tafelfragmente enthält Reste von Gebeten (Texte Nr. 1-29).
Neben solchen, die an Marduk. Gula und andere Gottheiten
gerichtet sind und ihren ‘Sitz im Leben’ in den Heilverfahren
der Beschwörer (äsipu) hatten, werden hier insgesamt neun
Bruchstücke mit Passagen aus literarischen Gebeten vorgestellt,
die im Namen mehrerer mittel- und frühneuassyrischer Könige
formuliert sind (Texte Nr. 1-9). darunter Samsi-Adad IV. (1053-
1050 v. Chr.). Salmanasser II. (1030-1019 v. Chr.) und Samsi-
Adad V. (823-811 v. Chr.). Mit einer Ausnahme (Text Nr. 2) waren
diese einzigartigen Texte bisher unbekannt. Ihre Lückenhaftigkeit
konnte dank mehrerer neuer Textzusammenschlüsse (sog. joins)
deutlich gemildert werden. Während zwei der Fragmente mit
Königsgebeten aus den Tontafelbeständen des Assur-Tempels
kommen (Texte Nr. 8 und Nr. 9). wurde ein weiteres - so wie
einige andere literarische Gebete der assyrischen Könige
(KAR 98. KAR 105. KAR 361; LKA 36) - in dem sog. Archiv
der Sänger aufgefunden (Text Nr. 4). Ob die Sänger von Assur
diese Gebete verfassten oder für deren Inszenierung zu sorgen
hatten, ist leider unbekannt.
Die weiteren hier vorgestellten Keilschrifttexte spiegeln
die große Bandbreite der Verfahren der Unheilsbeseitigung
und Heilsbewahrung, die im Mittelpunkt der Arbeit der
Beschwörer standen. Neben dicenda. die im Rahmen der
mussuu genannten Massagetherapie zu rezitieren waren.

finden sich sog. Kultmittelbeschwörungen und dicenda aus dem
Heilverfahren Surpu. aus Klaqlü und aus Ritualen zur Abwehr
von Schadenzauber. Krankheit und Dämonen (Texte Nr. 35-
50). darunter ein neuer Textvertreter von ‘‘Marduk’s address”
(Text Nr. 35). Andere Texte zeugen von der medizinisch-
pharmakologischen Tätigkeit der Beschwörer (Texte Nr. 51-52).
Einen weiteren Schwerpunkt der Edition bilden Beschreibungen
von religiösen Zeremonien, die zumeist im Namen des Königs in
Assur und in den Tempeln der Stadt durchgeführt wurden (Texte
Nr. 53-66). Ein neuer, aus mittelassyrischer Zeit stammender
Textvertreter der Gebete, die bei der täkultu genannten
Götterspeisung gesprochen wurden, verdient dabei besondere
Beachtung (Text Nr. 53).
Die Mehrzahl der hier präsentierten Tafelfragmente ist
schlecht erhalten und daher oft nicht allein aus epigraphischen
Gründen schwer lesbar, sondern auch aus Mangel an Kontext.
Notgedrungen werden sich daher nicht alle der hier vor-
geschlagenen Lesungen bewähren. In manchen Fällen konnten
neue joins das Textverständnis deutlich verbessern. Dies gilt
beispielsweise für den zweisprachigen, an Ningirsu/Ninurta
gerichteten Hymnus (Text Nr. 30). für die hier neu vorgestellten
lyrischen Texte, die E. Frahm in KAL 3 als ‘‘Liebesduetf’
bezeichnete (Texte Nr. 33-34). und für die schriftlich
niedergelegten Loyalitätseide, die König Assumasirpal II. (883-
859 v. Chr.) geleistet wurden (Text Nr. 68; siehe auch Texte
Nr. 69-71).
Die Druckvorlage des vorliegenden Bandes erstellte
der Autor. Jessica Dreschert war ihm dabei behilflich. Bei
den notwendigen Redaktionsarbeiten wurde ich von allen
Mitarbeitern der Heidelberger Assur-Forschungsstelle tatkräftig
unterstützt. Ihnen allen gilt mein aufrichtiger Dank. Zu Dank
bin ich auch den Vertretern des Vorderasiatischen Museums
und der Deutschen Orient-Gesellschaft sowie der Heidelberger
Akademie der Wissenschaften verpflichtet, ohne deren Förderung
die Arbeit unserer Forschungsstelle nicht möglich wäre.
Heidelberg, im Sommer 2018 Stefan M. Maul
 
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