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Einleitung

Der vorliegende Band schließt innerhalb der Reihe ..Keilschrift-
texte aus Assur literarischen Inhalts” an die Veröffentlichungen
KAL 4 (S. M. Maul und R. Strauß. Ritualanweisungen und Ge-
bete I mit Beiträgen von D. Schwemer. Wiesbaden 2011) und
KAL 7 (W. Meinhold. Ritualanweisungen und Gebete II. Wies-
baden 2017) an.
Die Mehrzahl der hier vorgestellten Schriftstücke wird zum
ersten Mal in vollständiger Bearbeitung vorgelegt. Wo physische
Zusammenschlüsse (sog. joins) von unpublizierten Fragmenten
mit bereits edierten Stücken zu erheblichem Textgewinn und da-
durch auch zu einem vertieften Verständnis bisher unklarer Pas-
sagen führten, wurde eine erneute Bearbeitung für sinnvoll er-
achtet. Zu dieser Gruppe gehört etwa ein zweisprachiger Hymnus
an Ningirsu/Ninurta (Text Nr. 30). das ..Liebesduett” zwischen
einem Gott und einer Göttin (Text Nr. 33). Beschwörungen, die
aus der Sammlung Mussu’u (..Einreibung”) bekannt sind (Tex-
te Nr. 36. 37). sowie eine Beschreibung von Ritualhandlungen
im Tempel des Gottes Assur (Text Nr. 57) und jener Teil eines
Loyalitätseides aus der Zeit Assumasirpals II.. der Fluchformeln
enthält (Text Nr. 68). In anderen Fällen sind die neu identifizier-
ten Fragmente Duplikate zu Werken der Beschwörungsliteratur
wie etwa ..Marduk’s Address to the Demons” (Text Nr. 35) oder
die Kultmittelbeschwörung an das .sas:saü/-Gras (Text Nr. 50).
Die Herkunft der Texte
Verlässliche Angaben zum Fundort liegen nur für einen geringen
Teil der hier edierten 73 Tafeln und Tafelfragmente vor. Davon
sind zwei nachweislich jenem Corpus zuzuordnen, das aus den
Ruinen des Assur-Tempels stammt, namentlich aus dem Teil der
..Bibliothek Tiglatpilesers”. der von O. Pedersen in Archives and
Libraries in the City of Assur unter N1 behandelt wird.1 Dies sind
die Texte Nr. 8undNr. 9 (N 1: 61).2 Wenn die beiden Fragmente,
wie man nach der gemeinsamen Fundnummer sowie nach
äußeren Merkmalen (z. B. Duktus und Zeilenhöhe) vermuten
darf, ursprünglich zu derselben Tafel gehört haben, bieten sie ein
anschauliches Beispiel dafür, wie sich zwei für sich genommen
eher wertlose Fragmente gegenseitig ergänzen können.
Das trifft im Übrigen in besonderem Maße für Text Nr. 30
zu. Das größere der beiden Teilstücke war bereits früher von
E. Ebeling in Umschrift und Übersetzung mitgeteilt worden.3
Der von S. M. Maul vorgenommene Zusammenschluss mit dem

1 O. Pedersen. ALA II. 12-28.
2 Für Text Nr. 30 (VAT 10176 + VAT 10519) ist nach E. Ebeling. AfO 16
(1952-53). 211 eine Zugehörigkeit möglich. Darauf deutet auch die Fund-
nummer 4604 e hin. die sich auf dem rechten Rand von VAT 10519 findet
(vgl. O. Pedersen. ALA II. 25 sub 108).
3 E. Ebeling. MVAG 23 (1918). 75ff

Fragment VAT 10519 bietet wesentliche Teile der akkadischen
Seite dieses zweisprachigen Textes und ermöglicht jetzt einen
detaillierteren Vergleich mit der sumerischen Version.
Zwei weitere Schriftstücke gehörten zum ..Archiv der Sän-
ger”. das seine Bezeichnung mehreren namentlich genannten
..Obermusikem” (nargallu) verdankt und Texte von der Regie-
rungszeit Assumasirpals II. (883-859 v. Chr.) bis zur postkano-
nischen Periode überliefert.4 Der im vorliegenden Band edierte
Text Nr. 4 (N 3: 13) stammt aus der Zeit des Königs Samsi-Adad
V (823-811 v. Chr.) und gehört damit zu den älteren Tafeln
des Archivs. Text Nr. 10 (N 3: 44) wurde in Teilen bereits von
E. Ebeling in Umschrift. Übersetzung und Kommentar mitgeteilt
und wird hier zum ersten Mal vollständig ediert.
Aus der Bibliothek im sog. ..Haus des Beschwörungspries-
ters” (N 4)5 stammt neben Text Nr. 12. einem Handerhebungs-
gebet an Marduk. zu dem mehrere Duplikate bekannt sind, auch
Text Nr. 13. ein Gebet, das ebenfalls an Marduk gerichtet ist. so-
wie Text Nr. 42. eine Beschw örung an Marduk. Zarpänltum. die
Großen Götter sowie den persönlichen Schutzgott des Beters und
den seiner unmittelbaren Vorfahren. Die spezielle, sonst nicht in
diesem Umfang zu beobachtende Verwendung der Zeichengrop-
pe KI.MIN findet sich in gleicher Weise auch in Text Nr. 41.
für den keine Fundnummer bekannt ist. Dieser könnte also sehr
wohl, wie der. freilich unvollständig erhaltene. Kolophon ohne-
hin nahelegt, ebenfalls zu dieser Bibliothek gehört haben.
Inhalt und Anordnung
Der Band enthält religiöse Texte, in denen sich Individuen im Ge-
bet mit ihren Anliegen an Gottheiten wenden oder diese in hym-
nischem Lobpreis verehren (Texte Nr. 1-32). Darunter befinden
sich auch Werke aus dem Kontext der Königsideologie. die aus
bisher nur sehr spärlich durch offizielle Inschriften dokumentier-
ten Perioden stammen, namentlich aus den Regierungszeiten der
Herrscher Samsi-Adad IV. (1053-1050 v. Chr.). Salmanassar II.
(1030-1019v. Chr.)sowieAdad-näränII. (911-891 v. Chr.jund
Samsi-Adad V (823-811 v. Chr.)
Indem die Königsgebete Bezug auf historisch nachweisbare
Personen nehmen, lassen sie sich sicher datieren und erlauben
so. über die inhaltliche Analyse hinaus, die Informationen etwa
über Tafellayout und Duktus im Hinblick auf Entwicklungen
von der mittelassyrischen zur neuassyrischen Periode auszu-
werten. Unter den Adressaten der Königsgebete steht Istar an
prominenter Stelle. Dabei wird die persönliche Beziehung der
Göttin zum assyrischen König hervorgehoben, insbesondere hin-

4 Siehe hierzu O. Pedersen. ALA II. 34-41.
5 O. Pedersen. ALA II. 41-76.
 
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