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Einleitung

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ben in welcher Darreichungsform und Menge für einzelne Gott-
heiten oder Göttergruppen jeweils regelmäßig bereitzustellen
sind. Diese Bruchstücke stehen somit administrativen Urkunden
nahe und waren sicher als Richtlinie und Gedankenstütze für den
regelmäßigen Opferbetrieb gedacht. Da sie über einen mögli-
cherweise längeren Zeitraum gültig blieben, dürfen sie dennoch
in gleichem Maße als literarische Texte im weiteren Sinne ange-
sehen werden, wie etwa Ritualbeschreibungen.
Text Nr. 68 ergänzt ein früher veröffentlichtes Bruchstück
mit mehreren in der Zwischenzeit als zugehörig erkannten Frag-
menten. die ganz wesentlich zum Verständnis des Textes beitra-
gen. Tatsächlich handelt es sich, wie bereits der Erstbearbeiter
E. Frahm vermutete, um Loyalitätseide aus der Regierungszeit
Assumasirpals II.. genauer um jenen Teil, der eine Reihe von
Fluchformeln enthält, die gegen die Vertreter der zum Eid ver-
pflichteten Vertragspartei gerichtet sind und im Falle des Eid-
bruchs wirksam werden.16 Die erhaltenen Textpartien verweisen
auf religiöse Aspekte in diesem Vertragswerk aus der königli-
chen Kanzlei, indem die Götter zu Zeugen berufen werden und
im Falle der Zuwiderhandlung selbst die Bestrafung der Verräter
übernehmen sollen. Text Nr. 68 gehörte vielleicht ebenfalls zu
derselben Tafel, wenn auch ohne direkten Anschluss. Die beiden
die Edition abschließenden Fragmente Nr. 70 und Nr. 71 lassen
sich nicht sicher mit Text Nr. 69 in Verbindung bringen, sind aber
zumindest wohl weitere Vertreter des gleichen Genres.

Ausblick
Gerade die Zusammenschlüsse einzelner Fragmente und die
daraus resultierenden neuen Erkenntnisse bezüglich Inhalt und
Handlungsablauf in den betreffenden Texten des vorliegenden
Bandes zeigen eindrucksvoll, wie wertvoll selbst kleinste, sehr
schlecht erhaltene Bruchstücke literarischer Werke aus Assur für
den wissenschaftlichen Fortschritt sein können, wenn es gelingt,
sie wieder in ihrem ursprünglichen Kontext zu verorten. In den
anderen Fällen, in denen dieser Erfolg noch aussteht, bleibt zu
hoffen, dass die Lücken entweder durch weitere joins aus dem
Textmaterial aus Assur oder durch Duplikate aus anderen Fund-
orten in der Zukunft zumindest verkleinert werden können. In
diesem Sinne werden manche Bearbeitungen innerhalb dieser
Edition nur vorläufige Gültigkeit beanspruchen dürfen.
Eine wissenschaftliche Diskussion kann aber nur dann
überhaupt entstehen, wenn diese Texte, so unklar ihre Deu-
tung im Detail bisweilen auch sein mag. der Fachöffentlich-
keit. insbesondere den Experten für die jeweiligen Textgenres,
zur Verfügung stehen. Auf diese Weise wird die bereits intern
im Heidelberger Projekt ..Literarische Keilschrifttexte aus As-
sur literarischen Inhalts” mit großem Erfolg geübte Praxis des
Austauschs auf einen wesentlich größeren Kreis von Gelehrten
erweitert und mag. so darf erwartet werden, zu einem tieferen
Verständnis der Texte führen.

16 E. Frahm. KAL 3.19 (Nr. 66).
 
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