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Jaspers, Karl; Weidmann, Bernd [Editor]; Fuchs, Thomas [Editor]; Halfwassen, Jens [Editor]; Schulz, Reinhard [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Editor]; Schwabe AG [Editor]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 1, Band 13): Der philosophische Glaube angesichts der Offenbarung — Basel: Schwabe Verlag, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.51323#0079
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LXXVIII

Einleitung des Herausgebers

dieser Professor in Bern.367 Mit dem Versuch, die alte liberale Theologie der Aufklärung
und des Historismus programmatisch neu zu profilieren, hatte er sich schon früh ei-
nen Namen gemacht.368 Er distanzierte sich vom naiven Fortschrittsoptimismus des
18. wie vom vermittelnden Harmoniestreben des 19. Jahrhunderts, um den Blick auf
die Abgründigkeit von Welt, Mensch und Gott zu lenken. Bei dieser existentiellen Neu-
ausrichtung der liberalen Theologie kam Jaspers eine Schlüsselstellung zu: »Der neue
Liberalismus wird sich auf weite Strecken hin zu dem bekennen können, was Jaspers
in der Schrift >Der philosophische Glaube< über die Funktion der Philosophie der Re-
ligion gegenüber äussert.«369 Dennoch war es weniger die Schrift von 1948 als das Buch
von 1962, das Spuren in Neuenschwanders Denken und Glauben hinterlassen hat. So
schickte er seiner Vorlesung »Der heutige Mensch und die Frage nach Gott« des Win-
tersemesters 1966/67 die Bemerkung vorweg, dass man von Gott, dem Umgreifenden
schlechthin, nur in Chiffern reden könne,370 eine Haltung, die ihm so selbstverständ-
lich war, dass er sie, ohne Jaspers ausdrücklich zu erwähnen, auch in anderen Kontex-
ten immer wieder einnahm.371 Überhaupt entfaltete Jaspers die größte Wirkung dort,
wo er nicht selbst, sondern in den von ihm verwendeten Chiffern zur Sprache kam,
darunter besonders jene, mit denen er im Philosophischen Glauben angesichts der Offen-
barung die fundamentalen menschlichen Sinnfragen veranschaulicht hatte. In einer
Osterpredigt übernahm Neuenschwander etwa Jaspers’ Darstellung der Ratsszene aus
Bedas Kirchengeschichte der Angelsachsen, um auf ihrem dunklen Grund die Botschaft
von der Auferstehung abzuheben.372 Oder er zitierte in einem Aufsatz über Glaube und
Unglaube Jaspers’ Abwandlung des mittelalterlichen »Ich weiß nicht«-Spruchs. Die
Verse stehen dort für die »Nachtseite des Lebens«, für das »Bedrohende und Dunkle,
das unserem Dasein so entscheidend anhaftet«373 - und es doch nicht überwältigt. Neu-
enschwander las den Spruch als Zeugnis einer »verdankten Existenz«, die sich nicht

367 Zu Ulrich Neuenschwander (1922-1977) vgl. H.-H.Jenssen: »Von der >doctaignorantia< zur Vision
der providentia dei liberalis. Zum Gedenken an Ulrich Neuenschwander 1922-1977«, in: Theolo-
gische Literaturzeitung 108 (1983) 91-100.
368 Vgl. U. Neuenschwander: Die neue liberale Theologie. Eine Standortbestimmung, Bern 1953. Eine
kompakte Zusammenfassung gibt der Vortrag »Alte und neue liberale Theologie« in: ders.: Zwi-
schen Gott und dem Nichts. Beiträge zum christlichen Existenzverständnis in unserer Zeit, Bern, Stutt-
gart 1981, 80-93.
369 U. Neuenschwander: Die neue liberale Theologie, 40.
370 Vgl. U. Neuenschwander: »Der heutige Mensch und die Frage nach Gott«, in: ders., W. Zager: Gott
denken angesichts des Atheismus, Neukirchen-Vluyn 2001,181-281, hier: 187.
371 So etwa in dem 1971 gehaltenen Vortrag »Zufall als religionsphilosophische Frage«, in: U. Neu-
enschwander: Zwischen Gott und dem Nichts, 243-252.
372 U. Neuenschwander: »Ostern. Leben aus dem Tod«, in: ders.: In Ereiheitglauben. Ermutigungen zu
einem wahrhaftigen Christsein, hg. von W. Zager, Neukirchen-Vluyn 1999,114-118, hier: 115. - Vgl.
K. Jaspers: Der philosophische Glaube angesichts der Offenbarung, in diesem Band, S. 114.
373 U. Neuenschwander: »Zum Gespräch zwischen Glauben und Unglauben«, in: ders.: Denker des
Glaubens, Bd. 2, Gütersloh 1974,143-158, hier: 154.
 
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