Der philosophische Glaube angesichts der christlichen Offenbarung 61
Exkurs: Philosophie und Theologie, beide gleiten auf eine ihnen zugehörige Weise ab:
Die Philosophie gleitet ab in das Sprechen vom höchsten Wesen, das leer, weil ohne existen-
tiellen Grund ist. Sie gleitet ab in die unwirksame formale Gottgläubigkeit, - in die agnostische
Indifferenz, für die das Nichtwissen Gleichgültigkeit bedeutet, nicht zum Aufschwung bringt, -
in das Zulassen von Glauben ohne anzuerkennen oder in sein Beiseiteschieben, um dadurch die
Freiheit als Willkür in der Welt zu haben.
Die Theologie gleitet ab in die Anpassung der Offenbarung an Plausibilität. Ein Beispiel: Die
Propheten »sind der Philosophie darin vergleichbar, daß ihr Geist auf die höchsten Dinge gerich-
tet ist, darin aber verschieden, daß, was dort auf dem Wege logischer Abstraktion erstrebt (was
für eine ahnungslose Auffassung von Philosophie!), hier auf dem Wege der inneren Anschauung
(wie bequem!) gefunden und unmittelbar gewiß wird ... dort Denken über Gott, theoretisches
Verhalten - hier lebendiges Verbundensein mit dem Objekt der Erkenntnis.«591 In der Gestalt Jesu
»mit ihrer unvergleichlichen Mischung von Hoheit und Demut, höchstem Selbstbewußtsein
und selbstverleugnender Barmherzigkeit« (was für ein ungefährlicher, sentimental gesehener
Jesus!) sahen die Jünger »das verborgene Antlitz Gottes selbst«, so daß »sie Gott hatten, wenn sie
ihn hatten«592 ... so »setzte sich sein Glaube bei ihnen um in den Glauben an ihn«?593
So spricht ein konventioneller Glaube, dessen Typus sich in seiner Wohlanständigkeit schwer
charakterisieren läßt: In der verwässernden Anpassung ist ihm das Pneuma verlorengegangen.
Er ladet jeden ein, dieser freundlich abgemilderten, psychologisch verstehenden, doch so zu-
gänglichen Offenbarungsauffassung zu folgen, um ein Christ ohne sonderliche Spannung sein
zu können. Zornig bis zu diffamierenden Reden aber wird er gegen den, der ihm in dieser sich
anpassenden Glaubensweise nicht nur nicht folgen, sondern mehr will: die Radikalität sei es
des Offenbarungsglaubens, sei es des philosophischen Glaubens und in beiden Fällen die Be-
zeugung des Ernstes des Gottesglaubens im Urteil über die konkret gegenwärtigen, menschli-
chen und politischen Dinge und im Handeln aus der Weite, mit der eigenen geschichtlichen
Existenz, in der schleierlosen Offenheit, die nur der Glaube ermöglicht.
c. Chiffer und Dialektik
Schwebende, vieldeutige Sprache dessen, was in menschlicher Sprache aufgefaßt und
mitteilbar wird, muß verstanden werden, ohne eindeutig verstanden werden zu kön-
nen. Ganz anders die direkte Kundgabe von Gottes Willen (etwa in der Einsetzung von
Taufe und Abendmahl, im Missionsauftrag und in der Verheißung usw.): hier tritt eine
Sprache auf, die, als Realität in der Zeit, eindeutig Gehorsam fordert. Jene schwebende
Sprache der Chiffern, die selber nur gleichnisweise eine Sprache heißen, und diese
Realität der unmittelbaren Gottesmitteilung, beide | sind nicht als dasselbe zu verei- 60
nigen. Zwischen dem Sinn von beiden liegt ein Abgrund.
Der Offenbarungsglaube ist in der Gewißheit der greifbaren Realität dessen, wor-
auf er sich stützt, allem Zweifel unzugänglich, weil er die sicherste, alles überwälti-
gende, die Welt ihr gegenüber als wesenlos verschwinden lassende Realität vor sich
Hans von Schubert, Kirchengeschichte, S. 2off.
Exkurs: Philosophie und Theologie, beide gleiten auf eine ihnen zugehörige Weise ab:
Die Philosophie gleitet ab in das Sprechen vom höchsten Wesen, das leer, weil ohne existen-
tiellen Grund ist. Sie gleitet ab in die unwirksame formale Gottgläubigkeit, - in die agnostische
Indifferenz, für die das Nichtwissen Gleichgültigkeit bedeutet, nicht zum Aufschwung bringt, -
in das Zulassen von Glauben ohne anzuerkennen oder in sein Beiseiteschieben, um dadurch die
Freiheit als Willkür in der Welt zu haben.
Die Theologie gleitet ab in die Anpassung der Offenbarung an Plausibilität. Ein Beispiel: Die
Propheten »sind der Philosophie darin vergleichbar, daß ihr Geist auf die höchsten Dinge gerich-
tet ist, darin aber verschieden, daß, was dort auf dem Wege logischer Abstraktion erstrebt (was
für eine ahnungslose Auffassung von Philosophie!), hier auf dem Wege der inneren Anschauung
(wie bequem!) gefunden und unmittelbar gewiß wird ... dort Denken über Gott, theoretisches
Verhalten - hier lebendiges Verbundensein mit dem Objekt der Erkenntnis.«591 In der Gestalt Jesu
»mit ihrer unvergleichlichen Mischung von Hoheit und Demut, höchstem Selbstbewußtsein
und selbstverleugnender Barmherzigkeit« (was für ein ungefährlicher, sentimental gesehener
Jesus!) sahen die Jünger »das verborgene Antlitz Gottes selbst«, so daß »sie Gott hatten, wenn sie
ihn hatten«592 ... so »setzte sich sein Glaube bei ihnen um in den Glauben an ihn«?593
So spricht ein konventioneller Glaube, dessen Typus sich in seiner Wohlanständigkeit schwer
charakterisieren läßt: In der verwässernden Anpassung ist ihm das Pneuma verlorengegangen.
Er ladet jeden ein, dieser freundlich abgemilderten, psychologisch verstehenden, doch so zu-
gänglichen Offenbarungsauffassung zu folgen, um ein Christ ohne sonderliche Spannung sein
zu können. Zornig bis zu diffamierenden Reden aber wird er gegen den, der ihm in dieser sich
anpassenden Glaubensweise nicht nur nicht folgen, sondern mehr will: die Radikalität sei es
des Offenbarungsglaubens, sei es des philosophischen Glaubens und in beiden Fällen die Be-
zeugung des Ernstes des Gottesglaubens im Urteil über die konkret gegenwärtigen, menschli-
chen und politischen Dinge und im Handeln aus der Weite, mit der eigenen geschichtlichen
Existenz, in der schleierlosen Offenheit, die nur der Glaube ermöglicht.
c. Chiffer und Dialektik
Schwebende, vieldeutige Sprache dessen, was in menschlicher Sprache aufgefaßt und
mitteilbar wird, muß verstanden werden, ohne eindeutig verstanden werden zu kön-
nen. Ganz anders die direkte Kundgabe von Gottes Willen (etwa in der Einsetzung von
Taufe und Abendmahl, im Missionsauftrag und in der Verheißung usw.): hier tritt eine
Sprache auf, die, als Realität in der Zeit, eindeutig Gehorsam fordert. Jene schwebende
Sprache der Chiffern, die selber nur gleichnisweise eine Sprache heißen, und diese
Realität der unmittelbaren Gottesmitteilung, beide | sind nicht als dasselbe zu verei- 60
nigen. Zwischen dem Sinn von beiden liegt ein Abgrund.
Der Offenbarungsglaube ist in der Gewißheit der greifbaren Realität dessen, wor-
auf er sich stützt, allem Zweifel unzugänglich, weil er die sicherste, alles überwälti-
gende, die Welt ihr gegenüber als wesenlos verschwinden lassende Realität vor sich
Hans von Schubert, Kirchengeschichte, S. 2off.