Der philosophische Glaube angesichts der christlichen Offenbarung 69
tus«, hier »das Essen und Trinken von Brot und Wein des Abendmahls als Zeichen
unserer Erhaltung durch seine Hingabe, durch seinen Gang zum Vater«?159
Das wäre eine Weise allegorischer Deutung, die jedes wahre Symbol als Chiffer
tötet und zu einem überflüssigen bloßen Zeichen herabsetzt. Eben das aber ist nicht
gemeint. Denn es ist die Realität darin, »indem hier stumm und gerade so beredt die
Natur aufsteht gegen alles Zerdenken und Zerreden der Wahrheit, und uns auf den
Anfang zurückwirft«,16 - aber nicht, wie der Leser denken könnte, auf den der Natur,
vielmehr »von allem Erkennen auf jenes große Erkanntwerden«.160 Das soll das Sa-
krament sein. Dieses hütet das Geheimnis Gottes und ist zugleich seine Offenbarung.
Wieder komme ich in der Folge solcher Sätze von einem Staunen ins andere, ohne
im Verstehen einen Schritt voranzukommen. Und ich werde belehrt durch die allge-
meinen Sätze von Verstocktheit, Beiseitegestelltsein, Gericht.
Was mir in eigener Erfahrung und Beobachtung als Kultus und Verkündigung be-
gegnet ist, sehe ich ganz anders. Das Entscheidende schien mir, ob der Kultus in Hand-
lung, Gebet, Meditation selber als Chiffer vollzogen wird, oder ob er als Realität des ge-
genwärtigen Gottes gilt. Gilt der Kultus als Chiffer, so schien mir die Feierlichkeit, der
Ernst, das Gewicht, aber in schwebender Freiheit, doch in ganzer Kraft möglich. Gilt
das Erfahrene aber als Realität Gottes, so schien mir Magie vorzuliegen, das heißt eine
Kausalität ohne Kausalität, eine Realität ohne Realität. Diese ist zwar bezwingend ein-
drucksvoll für den in Gehorsam Glaubenden, aber in der Welt ohne andere Folgen als
die in der Seele des Glaubenden, der nun, ob er schwebende Chiffern oder magische
Realität erfahren hat, anders lebt und handelt und denkt und dadurch in der Welt
bezeugt, was jene Erfahrung bedeutet.
6. »Offenbarung« selber nur Chiffer?
Die Offenbarung schien uns entweder Realität: dann muß sie selber da sein und
braucht kein Zeichen. Oder sie ist gar nicht Realität: dann ist vielmehr die Frage, ob sie
als »Offenbarung« eine Chiffer der Transzendenz sein kann, die dann neben anderen
Chiffern, nicht mehr aus allen | herausgehoben, gilt. Ist dieses zweite die Wahrheit,
dann wird eine Wandlung des Offenbarungsglaubens, die vielleicht jederzeit auch
schon da war, nun für unser Zeitalter erst recht im allgemeinen Bewußtsein notwen-
dig. Dann würden alle Dogmen, Sakramente, Kultformen in einen Schmelztiegel ge-
raten, der nicht die Verwirrung einer oberflächlichen Aufklärung wäre, sondern das
Medium, in dem der biblische Glaube noch einmal, aus seinem ganzen Ernst unter
den Bedingungen unseres Zeitalters, seines neuen Wissens, seiner neuen Methoden
des Denkens, seines neuen Daseins die beschwingende, weil glaubwürdige Erschei-
nung fände. Diese Verwandlung liegt, vom Philosophieren her gesehen, in der Natur
68
l.c. S. 491.
tus«, hier »das Essen und Trinken von Brot und Wein des Abendmahls als Zeichen
unserer Erhaltung durch seine Hingabe, durch seinen Gang zum Vater«?159
Das wäre eine Weise allegorischer Deutung, die jedes wahre Symbol als Chiffer
tötet und zu einem überflüssigen bloßen Zeichen herabsetzt. Eben das aber ist nicht
gemeint. Denn es ist die Realität darin, »indem hier stumm und gerade so beredt die
Natur aufsteht gegen alles Zerdenken und Zerreden der Wahrheit, und uns auf den
Anfang zurückwirft«,16 - aber nicht, wie der Leser denken könnte, auf den der Natur,
vielmehr »von allem Erkennen auf jenes große Erkanntwerden«.160 Das soll das Sa-
krament sein. Dieses hütet das Geheimnis Gottes und ist zugleich seine Offenbarung.
Wieder komme ich in der Folge solcher Sätze von einem Staunen ins andere, ohne
im Verstehen einen Schritt voranzukommen. Und ich werde belehrt durch die allge-
meinen Sätze von Verstocktheit, Beiseitegestelltsein, Gericht.
Was mir in eigener Erfahrung und Beobachtung als Kultus und Verkündigung be-
gegnet ist, sehe ich ganz anders. Das Entscheidende schien mir, ob der Kultus in Hand-
lung, Gebet, Meditation selber als Chiffer vollzogen wird, oder ob er als Realität des ge-
genwärtigen Gottes gilt. Gilt der Kultus als Chiffer, so schien mir die Feierlichkeit, der
Ernst, das Gewicht, aber in schwebender Freiheit, doch in ganzer Kraft möglich. Gilt
das Erfahrene aber als Realität Gottes, so schien mir Magie vorzuliegen, das heißt eine
Kausalität ohne Kausalität, eine Realität ohne Realität. Diese ist zwar bezwingend ein-
drucksvoll für den in Gehorsam Glaubenden, aber in der Welt ohne andere Folgen als
die in der Seele des Glaubenden, der nun, ob er schwebende Chiffern oder magische
Realität erfahren hat, anders lebt und handelt und denkt und dadurch in der Welt
bezeugt, was jene Erfahrung bedeutet.
6. »Offenbarung« selber nur Chiffer?
Die Offenbarung schien uns entweder Realität: dann muß sie selber da sein und
braucht kein Zeichen. Oder sie ist gar nicht Realität: dann ist vielmehr die Frage, ob sie
als »Offenbarung« eine Chiffer der Transzendenz sein kann, die dann neben anderen
Chiffern, nicht mehr aus allen | herausgehoben, gilt. Ist dieses zweite die Wahrheit,
dann wird eine Wandlung des Offenbarungsglaubens, die vielleicht jederzeit auch
schon da war, nun für unser Zeitalter erst recht im allgemeinen Bewußtsein notwen-
dig. Dann würden alle Dogmen, Sakramente, Kultformen in einen Schmelztiegel ge-
raten, der nicht die Verwirrung einer oberflächlichen Aufklärung wäre, sondern das
Medium, in dem der biblische Glaube noch einmal, aus seinem ganzen Ernst unter
den Bedingungen unseres Zeitalters, seines neuen Wissens, seiner neuen Methoden
des Denkens, seines neuen Daseins die beschwingende, weil glaubwürdige Erschei-
nung fände. Diese Verwandlung liegt, vom Philosophieren her gesehen, in der Natur
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l.c. S. 491.