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Jaspers, Karl; Weidmann, Bernd [Editor]; Fuchs, Thomas [Editor]; Halfwassen, Jens [Editor]; Schulz, Reinhard [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Editor]; Schwabe AG [Editor]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 1, Band 13): Der philosophische Glaube angesichts der Offenbarung — Basel: Schwabe Verlag, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.51323#0331
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Der philosophische Glaube angesichts der Offenbarung

nennen. Die Zeichen der Offenbarung sollen Zeichen einer verborgenen Offenba-
rungshandlung sein, die Chiffern wären Zeichen der verborgenen Transzendenz. Of-
fenbarungshandlung Gottes und Transzendenz sind gleich verborgen. Aber die Zei-
chen der Offenbarungshandlung soll ich als Zeichen einer Realität verstehen, die
Chiffern der Transzendenz kann ich nicht als solche Zeichen verstehen. Der Unter-
schied der Zeichen der Offenbarung und der Chiffern der Transzendenz ist der, daß
dort die zeitliche Realität eines Aktes der Gottheit Zeichen gibt, die eindeutig sind, hier
die Transzendenz sich in vieldeutigen Chiffern kundgibt. Wenn aber die Zeichen ein-
deutig als solche der realen Offenbarung gelten, so sind sie das, was die Verborgenheit
aufhebt: einzigartige Zeichen, selber schon die Realität Gottes. Was aber auf diese
Weise Zeichen und Realität heißt, ist beides nicht in dem Sinne, in dem diese Worte
allgemein verstehbar sind.
Ich kann nicht ausweichen. Offenbarung ist entweder die zeitlich-räumlich be-
stimmte Handlung Gottes (als die sie vom Glaubenden behauptet wird) und dann
nicht mehr Chiffer, sondern Realität. Oder sie ist Chiffer, steht dann neben anderen
Chiffern und ist nicht mehr reale Offenbarung. Denn soweit die Offenbarung nur in
Zeichen spricht, ist sie so lange keine spezifische Realität, als diese Zeichen selber nicht
eines grundsätzlich anderen Wesens sind als alle Zeichen der Transzendenz sonst. Al-
lein durch die Realität Gottes, der in der zeitlich bestimmten Offenbarungshandlung
und ihren Zeichen selbst da ist, wäre die Offenbarung unterschieden von den Chiffern
der Transzendenz, der möglichen Sprache aller Dinge und der freien menschlichen
Hervorbringung. - Ich frage mich, ob, was der Theologe Zeichen nennt, etwa dasselbe
sei, was uns Chiffer heißt. Ist die Offenbarung als zeitlich realer Akt Gottes gemeint
oder selber als Chiffer? Das wohl keinesfalls, aber wie steht es dann?

175 \ (2) Die Zwischenschaltung:
Nur die Realität in zeitlicher und räumlicher Lokalisation Gottes könnte Offenbarung sein.
Diese Offenbarungsrealität aber wäre gleichsam Zwischenschaltung zwischen dem verborge-
nen Gott und der Existenz des Menschen. Sie wäre eine Vermittlung über den Abgrund zwi-
schen Gott und Mensch hin, der in Christus offenbarte Gott der »Mittler«. Aber ist dieser Mitt-
ler nicht ebenso verborgen wie Gott selbst, zwar eine außerordentliche, leuchtende und wahre
Chiffer des Menschen Jesus, aber nicht die Realität Gottes selber? Und wäre dann dies »Vermitt-
lung« Genannte in der Tat eine überflüssige Zwischenschaltung, die nur verdeckt, daß das als
Realität Unerreichbare, die Gottheit, nun doch als Realität da sein soll?
Der Mensch überall in der Welt hört und sieht und denkt die schwebenden vieldeutigen Chif-
fern der Transzendenz, die nie Gott selbst, sondern nur eine Sprache sind. Wird ihm aber die
Offenbarungsrealität ihrerseits wieder nur durch Zeichen kund, so würde sie ihm verborgen
bleiben wie die Transzendenz selbst. Die Zeichen wären dann bezogen nicht auf die Transzen-

richt, weil meine Sätze für ihn, wie ich vermute, doch wohl nur Ausdruck eines verständnislosen
und beklagenswerten Unglaubens sein können.
 
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