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Jaspers, Karl; Weidmann, Bernd [Hrsg.]; Fuchs, Thomas [Hrsg.]; Halfwassen, Jens [Hrsg.]; Schulz, Reinhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Hrsg.]; Schwabe AG [Hrsg.]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 1, Band 13): Der philosophische Glaube angesichts der Offenbarung — Basel: Schwabe Verlag, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.51323#0340
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Der philosophische Glaube angesichts der Offenbarung

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Glaubenden sind doch Menschen wie wir. Man möchte mit ihnen reden bis in das | In- 185
nerste, das Sprache werden kann. Aber es bedeutet viel mehr: Die uneinnehmbare Burg
schließt sich nicht nur ab, wenn ihre Besatzung sich in der Welt als ohnmächtig er-
kennt, sondern in ihr sind die Kräfte verborgen, die die Welt für diesen Glauben er-
obern wollen.
Der philosophierende Mensch braucht die Zirkel als unumgängliches Mittel des
Denkens, durch das er dem Undenkbaren Gegenwärtigkeit schafft, seiner existentiel-
len Erfahrung einen Raum öffnet. Er erleuchtet mit ihnen das Nichtwissen dadurch,
daß sie als Zirkel sich aufheben, aber nicht zu nichts. Denn im Verschwinden des Ge-
genständlichen wird durch die Bewegung des Denkens das gegenwärtig, was seine
Wirklichkeit als Erfüllung der Existenz gewinnt. Dem Philosophieren sind alle Zirkel
dazu da, durchbrochen zu werden. Es schließt sich weder in seinen gedachten Gebil-
den noch in seiner existentiellen Wirklichkeit ab, sondern bleibt offen ins Unendli-
che, nirgends endgültig geborgen als in seiner unabschließbaren, auf Transzendenz
bezogenen Freiheit. Es kennt sich nicht als »uneinnehmbare Burg«.

7. Von der Interpretation der Chiffern
(1) In der Religions- und Mythengeschichte, in der beschreibenden Ordnung der My-
then und Symbole, in ihrer Auffassung nach psychologischen Motivationen und so-
ziologischen Bedingungen ist ein unermeßliches Material ausgebreitet. So zeigt sich
eine endlose Welt für die Betrachtung, in neutralem Zusehen. Man gibt allem seinen
Platz, findet in den verbreiteten Parallelen die gleichen allgemeinen Erscheinungen.
Der existentiell ergreifende Charakter der Chiffern geht verloren in der Allgemeinheit
der Begriffe. Aber noch in ihnen atmet ein Rest des ursprünglichen Lebens. Es ist un-
erläßlich, sich auf diesem Wege zu informieren, wie etwa über die Osteologie bei einer
Lehre vom menschlichen Körper.
Wenn aber dies Ganze nicht bloß Sammlung uralter und fortdauernder Illusionen
sein soll, woher dann das Urteil über die Wahrheit, die in solchen Erscheinungen
begegnet? Gewiß nicht aus neutraler Betrachtung, sondern aus einem Dabeisein, das
selber betroffen ist. Der Sprung zwischen Betrachtung und Aneignung führt aus dem
Wissen von dieser Welt der Chiffern zu einem Leben in ihrer Welt.
In beiden Fällen sprechen wir von Interpretation der Chiffern. | Diese kann entwe- 186
der eine nur rationale, psychologische, soziologische Deutung der vorhandenen Chif-
fern erstreben, oder sie kann eigenes Erfahren und Fortdenken in diesen Chiffern sein.
Beides läßt sich zwar grundsätzlich unterscheiden, aber in der Durchführung der In-
terpretation nicht trennen. Was als objektive Erforschung der Mythen und Symbole
auftritt, kann in der Tat eine Form der Aneignung werden.
(2) So ist es in der modernen psychologischen Auffassung. Man deutet seit der Ro-
mantik, seit Eduard von Hartmann,170 seit Freud aus dem »Unbewußten«.
 
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