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Der philosophische Glaube angesichts der Offenbarung
ten als durch Reden in Ruhe zu bringen. Die Interpretation der Chiffern wird diese
Grenze ständig gegenwärtig halten.
Das Schweigen an der Grenze des Denkens in Chiffern wird aber nicht wirklich da-
durch, daß ich das Denken und Sprechen unterlasse, sondern dadurch, daß ich es zum
Äußersten treibe, wo es umschlägt in Schweigen. Alsbald wird es von neuem in der Zeit
wieder zum Sprechen treiben.
8. Der zweifache Kampf (um die Reinheit der Chiffernwelt und in der Welt der Chiffern)
Der innere Kampf geht erstens um die Reinheit der Chiffern gegen die Realisierung im
Mythos und Offenbarungsglauben, zweitens im Reich der Chiffern selber, in Chiffer
gegen Chiffer.
(1) Der erste Kampf geht um die Chiffernwelt als solche, sie zu bewahren und nicht
zu verwechseln. Er ist keineswegs der Kampf einer Aufklärung gegen die Wirklichkeit
der Transzendenz, sondern das Gegenteil: der Kampf um die Wirklichkeit der Tran-
szendenz gegen ihre Entstellung und Beschränkung.
Philosophischer Glaube und Offenbarungsglaube, beide sprechen von Gott. Der
philosophische Glaube weiß nicht von Gott, sondern hört nur die Sprache der Chif-
fern. Gott selber ist ihm eine Chiffer. Der Offenbarungsglaube meint die Handlungen
Gottes im Sichoffenbaren zum Heil der Menschen zu kennen; Gott wirkt hinein in die
Welt als ein besonderes Geschehen, sich bindend an Ort und Zeit. Der philosophische
Glaube macht mit der biblischen Forderung Ernst: du sollst dir kein Bildnis und
Gleichnis machen,181 und weiß, was er tut, wenn er im Hören und Entfalten der Chif-
fern die Forderung nicht erfüllt.
Es ist ein Schritt weiter, wenn die Bildhaftigkeit zur Leibhaftigkeit wird. Wir bedür-
197 fen als endlich-sinnliche Vernunftwesen der stän|digen Selbstüberwindung der, auch
nach der Einsicht in sie, doch untilgbaren Neigung zur Objektivierung nicht nur im
Bilde, sondern im Leibhaftigen. Diese Selbstüberwindung im Kampf mit dem Gegner,
den jeder in sich mitträgt, hat das Ziel, zur Reinheit der Wahrheit in hellerem und da-
mit entschiedenerem und untäuschbarem Ernste zu gelangen.
Diese Selbstüberwindung befreit von den Verhüllungen unserer Daseinsantriebe in
die durch Leibhaftigkeit verkehrte Wahrheit, die in Glaubensdogmen fixiert wird. Dog-
men können nicht mehr reine Chiffern der Transzendenz sein, es sei denn, sie würden
aus der Dogmenhaftigkeit ihrer Form zurückgenommen in die Bewegung des Denkens.
Ist der Offenbarungsglaube unumgänglich gebunden an die Verkehrung von Chif-
fernsprache in Realität? Der philosophische Glaube kann es zunächst nicht anders se-
hen. Aber er hat eine Scheu, trotz dieser ihm unausweichlich erscheinenden Einsicht
sie für endgültig zu halten. Wenn er auch nicht anders sehen kann, sucht er doch stän-
dig die Äußerungen, Erscheinungen, Folgen des Offenbarungsglaubens mit offen blei-
bendem Auge wieder und wieder zu befragen. Vor allem sieht er in ihm auch die Wahr-
Der philosophische Glaube angesichts der Offenbarung
ten als durch Reden in Ruhe zu bringen. Die Interpretation der Chiffern wird diese
Grenze ständig gegenwärtig halten.
Das Schweigen an der Grenze des Denkens in Chiffern wird aber nicht wirklich da-
durch, daß ich das Denken und Sprechen unterlasse, sondern dadurch, daß ich es zum
Äußersten treibe, wo es umschlägt in Schweigen. Alsbald wird es von neuem in der Zeit
wieder zum Sprechen treiben.
8. Der zweifache Kampf (um die Reinheit der Chiffernwelt und in der Welt der Chiffern)
Der innere Kampf geht erstens um die Reinheit der Chiffern gegen die Realisierung im
Mythos und Offenbarungsglauben, zweitens im Reich der Chiffern selber, in Chiffer
gegen Chiffer.
(1) Der erste Kampf geht um die Chiffernwelt als solche, sie zu bewahren und nicht
zu verwechseln. Er ist keineswegs der Kampf einer Aufklärung gegen die Wirklichkeit
der Transzendenz, sondern das Gegenteil: der Kampf um die Wirklichkeit der Tran-
szendenz gegen ihre Entstellung und Beschränkung.
Philosophischer Glaube und Offenbarungsglaube, beide sprechen von Gott. Der
philosophische Glaube weiß nicht von Gott, sondern hört nur die Sprache der Chif-
fern. Gott selber ist ihm eine Chiffer. Der Offenbarungsglaube meint die Handlungen
Gottes im Sichoffenbaren zum Heil der Menschen zu kennen; Gott wirkt hinein in die
Welt als ein besonderes Geschehen, sich bindend an Ort und Zeit. Der philosophische
Glaube macht mit der biblischen Forderung Ernst: du sollst dir kein Bildnis und
Gleichnis machen,181 und weiß, was er tut, wenn er im Hören und Entfalten der Chif-
fern die Forderung nicht erfüllt.
Es ist ein Schritt weiter, wenn die Bildhaftigkeit zur Leibhaftigkeit wird. Wir bedür-
197 fen als endlich-sinnliche Vernunftwesen der stän|digen Selbstüberwindung der, auch
nach der Einsicht in sie, doch untilgbaren Neigung zur Objektivierung nicht nur im
Bilde, sondern im Leibhaftigen. Diese Selbstüberwindung im Kampf mit dem Gegner,
den jeder in sich mitträgt, hat das Ziel, zur Reinheit der Wahrheit in hellerem und da-
mit entschiedenerem und untäuschbarem Ernste zu gelangen.
Diese Selbstüberwindung befreit von den Verhüllungen unserer Daseinsantriebe in
die durch Leibhaftigkeit verkehrte Wahrheit, die in Glaubensdogmen fixiert wird. Dog-
men können nicht mehr reine Chiffern der Transzendenz sein, es sei denn, sie würden
aus der Dogmenhaftigkeit ihrer Form zurückgenommen in die Bewegung des Denkens.
Ist der Offenbarungsglaube unumgänglich gebunden an die Verkehrung von Chif-
fernsprache in Realität? Der philosophische Glaube kann es zunächst nicht anders se-
hen. Aber er hat eine Scheu, trotz dieser ihm unausweichlich erscheinenden Einsicht
sie für endgültig zu halten. Wenn er auch nicht anders sehen kann, sucht er doch stän-
dig die Äußerungen, Erscheinungen, Folgen des Offenbarungsglaubens mit offen blei-
bendem Auge wieder und wieder zu befragen. Vor allem sieht er in ihm auch die Wahr-