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Jaspers, Karl; Weidmann, Bernd [Hrsg.]; Fuchs, Thomas [Hrsg.]; Halfwassen, Jens [Hrsg.]; Schulz, Reinhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Hrsg.]; Schwabe AG [Hrsg.]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 1, Band 13): Der philosophische Glaube angesichts der Offenbarung — Basel: Schwabe Verlag, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.51323#0361
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2ÖO

Der philosophische Glaube angesichts der Offenbarung

instehenden zeigen, der die Mächte erfährt, sich auf sie einläßt, sie zurückstößt, aber
nie außerhalb ihrer stehen kann.
Für die Anordnung der Darstellung brauchen wir einen Leitfaden. Im ersten Ab-
schnitt sprechen wir von den Chiffern, im zweiten vom Jenseits aller Chiffern. Von den
Chiffern sprechen wir im ersten Abschnitt auf dreifache Weise: erstens von denen, die
geradezu die Transzendenz treffen (Gott), zweitens von denen, durch die eine Imma-
nenz als solche auf Transzendenz Bezug gewinnt (Weltall, Geschichte, Logos), drittens
gehen wir aus von existentiellen Situationen, die sich in Chiffern erhellen (das Unheil
und das Böse).

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| Erster Abschnitt: Die Chiffern

I. Die Chiffern äer Transzendenz
Ich wiederhole noch einmal: Transzendenz ist gegenwärtig, wenn die Welt nicht mehr
als das aus sich selbst Bestehende, das an sich Seiende, sondern als Übergang erfahren
und gedacht wird. Diese Transzendenz ist der Bezugspunkt für die menschliche Frei-
heit. Als Freiheit wird der Mensch sich hell in seinem Ursprung, in dem, was über die
gesamte Welt, über die Natürlichkeit des Daseins hinaus liegt. Dort ist begründet, was
er selbst in seiner Unabhängigkeit von der Welt durch seine Bindung an die Wirklich-
keit der Transzendenz sein kann. Sie macht ihm zugleich seine radikalste Abhängig-
keit im Sichgeschenktwerden seiner Freiheit von dort her bewußt.
Dieses Bewußtsein, Erfahren und Denken ineins, ist keineswegs selbstverständlich.
Es ist geschichtlich aufgetreten. Es hat niemals alle Menschen ergriffen, wird vielmehr
bis heute auch verworfen. Leugnung der Transzendenz bedeutet nicht Leugnung von
Gott und Göttern. Götter sind geschaut, gedacht, geglaubt als Wesen in der Welt. Auch
das Ganze der Welt ist als Gott gedacht worden.
Vor der Transzendenz aber gilt: »Du sollst dir kein Bildnis und Gleichnis machen.«186
Diese Forderung ist Gott selbst in den Mund gelegt. Dieselbe Forderung entspringt phi-
losophischer Einsicht. Die »negative Theologie« reinigt den Raum der Geburtsstätte,
an der der Mensch, weil er den Gottesgedanken durch das »nicht« denkt, die Wirklich-
keit Gottes in seiner geschichtlichen Existenz ungreifbar erfährt.
Wie aber in der Bibel, ohne Preisgabe jener radikalen Forderung, doch zugleich die
Fülle der auf Gott gerichteten Chiffern in Erscheinung tritt, so ist trotz jener unerbitt-
lichen Forderung der Mensch durch seine Natur als endliches vernünftiges Sinnen-
 
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