Der philosophische Glaube angesichts der Offenbarung
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mag eine unbegründbar erfahrene und nie verlorene Gewißheit, die der Feststellung sich ent-
zieht, als Möglichkeit bestätigen.
Die eine Ehe (Monogamie) ist gegründet auf den Entschluß zur Treue im gemeinsamen Le-
ben der Zeit. Diese Einheit wird gewollt, daher gewußt und ist als Zahl objektiv feststellbar. Sie
gewinnt in der Gesellschaft juristische Form.
Die geschlechtliche Liebe als solche in dem Zauber und Reichtum der Abwandlungen der Ero-
tik ist ihrer Natur nach polygam, ohne andere Verbindlichkeiten als die der Schönheit und der
Kunst.
Die Idee der Einheit verwandelt jedes dieser drei Momente zu ihrem Wesen hin, das sie erst
in ihr gewinnen, als isolierte aber verlieren. Die monogame Ehe besteht nicht mehr nur an sich,
sondern als Folge des metaphysisch Einen (»die Ehen werden im Himmel geschlossen«). Das
Eine steigert den Zauber der Erotik, ihn seines polygamen Charakters entkleidend, in der ge-
schichtlichen Einmaligkeit. Die Natur der Geschlechtlichkeit kann eine Verwandlung erfahren,
wenn sie von der metaphysischen Liebe durchstrahlt nun erst selber zur Chiffer wird.
Das physiologische Wissen von der Sexualität, das psychologische von der Erotik, das juris-
tische Wissen von der Ehe zeigen Realitäten. Der Sinn dieser Realitäten ist unter der Idee des Ei-
nen aufgehoben als je partikularer, der in seiner Verabsolutierung den Menschen vergewaltigt
durch die Macht von Sexualität und Erotik, die Lahmheit der Ehe, die Abstraktheit der »plato-
nischen« metaphysischen Liebe. Das Eine läßt die verwirklichte Einheit dieser Momente selber
zur Chiffer in der Wirklichkeit werden.
Das numerisch Eine als Zahl wäre nur eine Folge des qualitativ Einen, das selbst quali-
tativ nicht faßbar ist, aber der existentiellen Möglichkeit nach das ganze Leben in der
Zeit in eins zusammengreift, indem die Natur der Chiffer unterworfen wird, die Zahl
nur die Folge und nicht die Gewaltsamkeit ist. Die Zahl hat hier keine Beweiskraft. Wo
sie äußerlich nicht da zu sein scheint, hat sie vielleicht das Andere verdampfen lassen
in einer zu übernehmenden Erinnerung an etwas nicht | Zugehöriges. Wo sie äußerlich
da ist, kann sie der Ausdruck einer stumpfen Gewohnheit sein, ohne die Wiederholung
der Ursprünglichkeit des Einen »bis ins pianissimo des höchsten Alters« (Max Weber).187
Sprechen wir vom Einen, so doch unumgänglich am Leitfaden des Sinns der Zahl.
Das Eine hat zwar einzigartige Bedeutung, ist bestimmend für Vernunft und Kommu-
nikation, für Liebe und Treue, für die Konzentration unserer Existenz, für das eigent-
liche Selbstsein. Aber in der Faßlichkeit von Zahl geht es verloren.
Würde nun das Eine der metaphysischen Liebe aufgefaßt als Zahl, so entstände die
Illiberalität im Urteil, das der unverdient Beschenkte und vermeintlich im Besitz Be-
findliche als allgemeines Gesetz für alle geschlechtlichen Beziehungen ausspräche. Er
würde die Erhellung des Einen verkehren in ein Wissen: die Zahl würde zur Gewalt-
samkeit des Urteils führen.
In der Vielfachheit der Erotik könnte plötzlich das Eine der immer nur einmaligen
metaphysischen Liebe durchbrechen. Nunmehr würde aus dem neuen Ursprung alles
verwandelt. Niemand weiß und niemand kann feststellen, ob sich das ereignet. Denn
es gibt es nicht als psychologische Realität.
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mag eine unbegründbar erfahrene und nie verlorene Gewißheit, die der Feststellung sich ent-
zieht, als Möglichkeit bestätigen.
Die eine Ehe (Monogamie) ist gegründet auf den Entschluß zur Treue im gemeinsamen Le-
ben der Zeit. Diese Einheit wird gewollt, daher gewußt und ist als Zahl objektiv feststellbar. Sie
gewinnt in der Gesellschaft juristische Form.
Die geschlechtliche Liebe als solche in dem Zauber und Reichtum der Abwandlungen der Ero-
tik ist ihrer Natur nach polygam, ohne andere Verbindlichkeiten als die der Schönheit und der
Kunst.
Die Idee der Einheit verwandelt jedes dieser drei Momente zu ihrem Wesen hin, das sie erst
in ihr gewinnen, als isolierte aber verlieren. Die monogame Ehe besteht nicht mehr nur an sich,
sondern als Folge des metaphysisch Einen (»die Ehen werden im Himmel geschlossen«). Das
Eine steigert den Zauber der Erotik, ihn seines polygamen Charakters entkleidend, in der ge-
schichtlichen Einmaligkeit. Die Natur der Geschlechtlichkeit kann eine Verwandlung erfahren,
wenn sie von der metaphysischen Liebe durchstrahlt nun erst selber zur Chiffer wird.
Das physiologische Wissen von der Sexualität, das psychologische von der Erotik, das juris-
tische Wissen von der Ehe zeigen Realitäten. Der Sinn dieser Realitäten ist unter der Idee des Ei-
nen aufgehoben als je partikularer, der in seiner Verabsolutierung den Menschen vergewaltigt
durch die Macht von Sexualität und Erotik, die Lahmheit der Ehe, die Abstraktheit der »plato-
nischen« metaphysischen Liebe. Das Eine läßt die verwirklichte Einheit dieser Momente selber
zur Chiffer in der Wirklichkeit werden.
Das numerisch Eine als Zahl wäre nur eine Folge des qualitativ Einen, das selbst quali-
tativ nicht faßbar ist, aber der existentiellen Möglichkeit nach das ganze Leben in der
Zeit in eins zusammengreift, indem die Natur der Chiffer unterworfen wird, die Zahl
nur die Folge und nicht die Gewaltsamkeit ist. Die Zahl hat hier keine Beweiskraft. Wo
sie äußerlich nicht da zu sein scheint, hat sie vielleicht das Andere verdampfen lassen
in einer zu übernehmenden Erinnerung an etwas nicht | Zugehöriges. Wo sie äußerlich
da ist, kann sie der Ausdruck einer stumpfen Gewohnheit sein, ohne die Wiederholung
der Ursprünglichkeit des Einen »bis ins pianissimo des höchsten Alters« (Max Weber).187
Sprechen wir vom Einen, so doch unumgänglich am Leitfaden des Sinns der Zahl.
Das Eine hat zwar einzigartige Bedeutung, ist bestimmend für Vernunft und Kommu-
nikation, für Liebe und Treue, für die Konzentration unserer Existenz, für das eigent-
liche Selbstsein. Aber in der Faßlichkeit von Zahl geht es verloren.
Würde nun das Eine der metaphysischen Liebe aufgefaßt als Zahl, so entstände die
Illiberalität im Urteil, das der unverdient Beschenkte und vermeintlich im Besitz Be-
findliche als allgemeines Gesetz für alle geschlechtlichen Beziehungen ausspräche. Er
würde die Erhellung des Einen verkehren in ein Wissen: die Zahl würde zur Gewalt-
samkeit des Urteils führen.
In der Vielfachheit der Erotik könnte plötzlich das Eine der immer nur einmaligen
metaphysischen Liebe durchbrechen. Nunmehr würde aus dem neuen Ursprung alles
verwandelt. Niemand weiß und niemand kann feststellen, ob sich das ereignet. Denn
es gibt es nicht als psychologische Realität.
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