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Der philosophische Glaube angesichts der Offenbarung
Das Denken dieses Überschreitens vermag Chiffern aufzulösen, aber nicht hervor-
zubringen. Oder es bringt sie nur hervor, um sie aufzulösen. Das Spiel der Auflösung
scheint dann die Wahrheit selber zu sein.
Die Selbstaufhebung der Metaphysik ist von Buddha und den Buddhisten zum
erstenmal in ganzer Radikalität ausdrücklich gedacht. Wir erfahren sogleich die Zwei-
deutigkeit. Dieses Denken findet keine Heimat in der realen Welt und keine Heimat in
einer gedachten Welt. Sie findet »Heimat« im Verschwinden und Verschwindenlas-
sen. Diese Selbstauflösung der Metaphysik der Chiffern führt im zeitlichen Dasein zum
Nichts.
(5) Aber das zeitliche Dasein ist da. Die vollkommene Selbstauflösung vermag in
der Welt nichts mehr zu wollen, zu tun, nichts mehr aufzubauen. Sie kennt nur noch
die Gleichgültigkeit und Beliebigkeit und Widersinnigkeit des Nichtigen. Das aber ist
für uns so wenig das letzte Wort, daß es vielmehr der Ausdruck einer Möglichkeit ist,
der wir mit unserer existentiellen Energie widerstehen.
421 | Denn wir sind nicht nur dem Zufall überlassene, nur der Natur anheimgegebene
Wesen, sind nicht umsonst in der Welt. Ein zeitloses »ewiges Reich« ist eine Chiffer, die
aber nur in der Welt spricht. Dieses Reich ist nicht eine andere Welt, in die ich flüchten
könnte, sondern in dieser Welt selber gegenwärtig. Gründe ich mein Leben auf ein zu-
künftiges Reich, auf das ganz Andere, anderswo, das mich erwartet, und gründe ich es
auf die leibliche Auferstehung, um dort dann dauernd zu leben - lasse ich diese Chif-
fern also zu Leibhaftigkeiten einer Realität werden -, dann schwindet der Ernst in der
Welt für die Welt und damit die Ewigkeit selber. Ich bin nichts, wenn ich nicht in der
Welt verwirkliche, was mir hier die Ewigkeit offenbar werden läßt. Denn versäume ich
die Welt, so verliere ich auch die Ewigkeit. Maß für unser Weltsein ist zwar das Ewige.
Aber was gemessen wird, darf ich nicht preisgeben. Es soll - so ist der paradoxe Aus-
druck - im Weltlichen zeitlich entschieden werden, was ich ewig bin, was ewig ist.
Noch im Jenseits aller Chiffern spüren wir Abendländer, uns erziehend durch die
Überlieferung von Antike und Bibel, den Anspruch in unserem Dasein, wie es uns ge-
geben: uns als Existenz zu verwirklichen, erfüllt vom Blick auf Transzendenz.
5. Über die Seinsspekulation
(1) Die gegenstandslose, insofern auch inhaltslose Seinsspekulation wird formal in ver-
schwindenden Abstraktionen gedacht. Da diese jedoch nur für Augenblicke vollzieh-
bar sind, schlagen sie um entweder in die Fülle von Bildern und Gleichnissen, in denen
alle begriffliche Bestimmung aufhört, oder in Begrifflichkeiten, die als vermeintliche
Sachverhalte dem gegenständlichen Bedürfnis Genüge tun. Solches Denken geht zwi-
schen Leerheit und Gegenständlichkeit hin und her. Statt der unmöglichen Erkennt-
nis des Seins ist im Denken gleichsam ein Ansprechen des Seins oder ein Angesprochen-
werden vom Sein gewonnen. Das Scheitern wird zum Anstoß: Die Stille spricht.
Der philosophische Glaube angesichts der Offenbarung
Das Denken dieses Überschreitens vermag Chiffern aufzulösen, aber nicht hervor-
zubringen. Oder es bringt sie nur hervor, um sie aufzulösen. Das Spiel der Auflösung
scheint dann die Wahrheit selber zu sein.
Die Selbstaufhebung der Metaphysik ist von Buddha und den Buddhisten zum
erstenmal in ganzer Radikalität ausdrücklich gedacht. Wir erfahren sogleich die Zwei-
deutigkeit. Dieses Denken findet keine Heimat in der realen Welt und keine Heimat in
einer gedachten Welt. Sie findet »Heimat« im Verschwinden und Verschwindenlas-
sen. Diese Selbstauflösung der Metaphysik der Chiffern führt im zeitlichen Dasein zum
Nichts.
(5) Aber das zeitliche Dasein ist da. Die vollkommene Selbstauflösung vermag in
der Welt nichts mehr zu wollen, zu tun, nichts mehr aufzubauen. Sie kennt nur noch
die Gleichgültigkeit und Beliebigkeit und Widersinnigkeit des Nichtigen. Das aber ist
für uns so wenig das letzte Wort, daß es vielmehr der Ausdruck einer Möglichkeit ist,
der wir mit unserer existentiellen Energie widerstehen.
421 | Denn wir sind nicht nur dem Zufall überlassene, nur der Natur anheimgegebene
Wesen, sind nicht umsonst in der Welt. Ein zeitloses »ewiges Reich« ist eine Chiffer, die
aber nur in der Welt spricht. Dieses Reich ist nicht eine andere Welt, in die ich flüchten
könnte, sondern in dieser Welt selber gegenwärtig. Gründe ich mein Leben auf ein zu-
künftiges Reich, auf das ganz Andere, anderswo, das mich erwartet, und gründe ich es
auf die leibliche Auferstehung, um dort dann dauernd zu leben - lasse ich diese Chif-
fern also zu Leibhaftigkeiten einer Realität werden -, dann schwindet der Ernst in der
Welt für die Welt und damit die Ewigkeit selber. Ich bin nichts, wenn ich nicht in der
Welt verwirkliche, was mir hier die Ewigkeit offenbar werden läßt. Denn versäume ich
die Welt, so verliere ich auch die Ewigkeit. Maß für unser Weltsein ist zwar das Ewige.
Aber was gemessen wird, darf ich nicht preisgeben. Es soll - so ist der paradoxe Aus-
druck - im Weltlichen zeitlich entschieden werden, was ich ewig bin, was ewig ist.
Noch im Jenseits aller Chiffern spüren wir Abendländer, uns erziehend durch die
Überlieferung von Antike und Bibel, den Anspruch in unserem Dasein, wie es uns ge-
geben: uns als Existenz zu verwirklichen, erfüllt vom Blick auf Transzendenz.
5. Über die Seinsspekulation
(1) Die gegenstandslose, insofern auch inhaltslose Seinsspekulation wird formal in ver-
schwindenden Abstraktionen gedacht. Da diese jedoch nur für Augenblicke vollzieh-
bar sind, schlagen sie um entweder in die Fülle von Bildern und Gleichnissen, in denen
alle begriffliche Bestimmung aufhört, oder in Begrifflichkeiten, die als vermeintliche
Sachverhalte dem gegenständlichen Bedürfnis Genüge tun. Solches Denken geht zwi-
schen Leerheit und Gegenständlichkeit hin und her. Statt der unmöglichen Erkennt-
nis des Seins ist im Denken gleichsam ein Ansprechen des Seins oder ein Angesprochen-
werden vom Sein gewonnen. Das Scheitern wird zum Anstoß: Die Stille spricht.