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Der philosophische Glaube angesichts der Offenbarung
ist, und bei Wahl des letzteren am Ende doch zur endgültigen Rückkehr allen Lebens
in das Anorganische - wenn das unsere Perspektive ist, was zeigt sich uns dann am
Horizont?
Kann Philosophie helfen? Ist der Mensch nicht schon durch diese Situation, in die
er gelangt ist, überfordert, und überfordert die Philosophie, statt ihm zu helfen, durch
ihre Klarheit ihn noch mehr?
473 Wenn er in der Sprache der schwebenden Chiffern in Reinheit den | Ernst erfahren
soll, den einst die sinnliche Leibhaftigkeit der Transzendenz erzeugte - wenn er in den
sich distanzierenden, auf Wahrhaftigkeit hin prüfenden philosophischen Fragen mit
ihnen doch erst recht in der Substanz des eigentlich Wirklichen stehen soll - wenn der
Gang der realen Ereignisse ihn mit allen Menschen vor die Alternative stellt, entweder
einen leblosen Erdball als Stäubchen im All zu hinterlassen, oder eigentlich Mensch
zu werden mit Anderen, die in ihrer Schicksalsgemeinschaft wirklich zu leben und je-
nes Ende abzuwehren vermögen - wenn ihn das alles überfordert, so tut dies die geis-
tige und reale Situation, in die ihn ein eigenes Denken und Tun, ohne daß er es wollte
oder ahnte, gebracht hat.
(3) Kann der Mensch überhaupt hoffen, dieser Situation gewachsen zu sein?
Wer philosophiert, der glaubt, daß es zwar nicht sicher, aber möglich sein müsse,
die Aufgabe, vor die ein unerbittliches Schicksal den Menschen durch ihn selber ge-
stellt hat, schließlich zu erfüllen.
Aber er glaubt auch einer Transzendenz. In einem Scheitern, das nicht einfach ein
korrigierbares Mißlingen ist, zeigt sich die zeitfreie Ewigkeit, der wir noch in diesem
Scheitern angehören, soweit wir in Liebe und Vernunft existieren.
Die Überforderung ist das Schwergewicht, das erdrücken kann. Aber sie kann auch
alles hervortreiben an Kräften der Existenz und Vernunft, herausheben aus der Ge-
wichtslosigkeit des Nichtigen. Philosophie erzeugte stets und erzeugt heute die Revo-
lution der Denkungsart.
(4) Philosophieren weist auf Gegenwärtigkeit, gründet in ihr, erfüllt sie.
Nur in ihr wird der Mensch sich geschenkt. Daher die große Liebe zum Gegenwär-
tigen, die Dankbarkeit zu leben, heute zu leben und zu keiner anderen Zeit.
Der Augenblick ist die einzige Gegenwart des Ewigen - im Unterschied vom ver-
schwindenden Jetzt, das immer nur dahinfließt.
Das, worüber man nicht mehr reden kann, woraufhin zu denken möglich ist, wor-
aus alle Philosophie ihren Gehalt hat, ist als Gegenstand nicht da, als Willensziel nicht
zu fordern und nicht zu erreichen.
Das Gegenwärtige ist das Einfache und Unbegreifliche, das in dem mittelalterlichen
Vers spricht, den ich zu Anfang schon zitierte:
Ich komme, ich weiß nicht woher,
Ich bin, ich weiß nicht wer,
474 | Ich sterb’, ich weiß nicht wann,
Der philosophische Glaube angesichts der Offenbarung
ist, und bei Wahl des letzteren am Ende doch zur endgültigen Rückkehr allen Lebens
in das Anorganische - wenn das unsere Perspektive ist, was zeigt sich uns dann am
Horizont?
Kann Philosophie helfen? Ist der Mensch nicht schon durch diese Situation, in die
er gelangt ist, überfordert, und überfordert die Philosophie, statt ihm zu helfen, durch
ihre Klarheit ihn noch mehr?
473 Wenn er in der Sprache der schwebenden Chiffern in Reinheit den | Ernst erfahren
soll, den einst die sinnliche Leibhaftigkeit der Transzendenz erzeugte - wenn er in den
sich distanzierenden, auf Wahrhaftigkeit hin prüfenden philosophischen Fragen mit
ihnen doch erst recht in der Substanz des eigentlich Wirklichen stehen soll - wenn der
Gang der realen Ereignisse ihn mit allen Menschen vor die Alternative stellt, entweder
einen leblosen Erdball als Stäubchen im All zu hinterlassen, oder eigentlich Mensch
zu werden mit Anderen, die in ihrer Schicksalsgemeinschaft wirklich zu leben und je-
nes Ende abzuwehren vermögen - wenn ihn das alles überfordert, so tut dies die geis-
tige und reale Situation, in die ihn ein eigenes Denken und Tun, ohne daß er es wollte
oder ahnte, gebracht hat.
(3) Kann der Mensch überhaupt hoffen, dieser Situation gewachsen zu sein?
Wer philosophiert, der glaubt, daß es zwar nicht sicher, aber möglich sein müsse,
die Aufgabe, vor die ein unerbittliches Schicksal den Menschen durch ihn selber ge-
stellt hat, schließlich zu erfüllen.
Aber er glaubt auch einer Transzendenz. In einem Scheitern, das nicht einfach ein
korrigierbares Mißlingen ist, zeigt sich die zeitfreie Ewigkeit, der wir noch in diesem
Scheitern angehören, soweit wir in Liebe und Vernunft existieren.
Die Überforderung ist das Schwergewicht, das erdrücken kann. Aber sie kann auch
alles hervortreiben an Kräften der Existenz und Vernunft, herausheben aus der Ge-
wichtslosigkeit des Nichtigen. Philosophie erzeugte stets und erzeugt heute die Revo-
lution der Denkungsart.
(4) Philosophieren weist auf Gegenwärtigkeit, gründet in ihr, erfüllt sie.
Nur in ihr wird der Mensch sich geschenkt. Daher die große Liebe zum Gegenwär-
tigen, die Dankbarkeit zu leben, heute zu leben und zu keiner anderen Zeit.
Der Augenblick ist die einzige Gegenwart des Ewigen - im Unterschied vom ver-
schwindenden Jetzt, das immer nur dahinfließt.
Das, worüber man nicht mehr reden kann, woraufhin zu denken möglich ist, wor-
aus alle Philosophie ihren Gehalt hat, ist als Gegenstand nicht da, als Willensziel nicht
zu fordern und nicht zu erreichen.
Das Gegenwärtige ist das Einfache und Unbegreifliche, das in dem mittelalterlichen
Vers spricht, den ich zu Anfang schon zitierte:
Ich komme, ich weiß nicht woher,
Ich bin, ich weiß nicht wer,
474 | Ich sterb’, ich weiß nicht wann,