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Jaspers, Karl; Weidmann, Bernd [Hrsg.]; Fuchs, Thomas [Hrsg.]; Halfwassen, Jens [Hrsg.]; Schulz, Reinhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Hrsg.]; Schwabe AG [Hrsg.]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 1, Band 13): Der philosophische Glaube angesichts der Offenbarung — Basel: Schwabe Verlag, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.51323#0616
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Der philosophische Glaube angesichts der Offenbarung

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gekehrt kann man von theologisch protestantischer Seite hören: die Philosophie sei
nicht ernst zu nehmen, sie sei überflüssig und eigentlich ein Unfug. Aus den derart
eingenommenen Positionen hört man den Ton der Verachtung des Gegners. Die Ab-
stoßung ist die heftigste.
Zweideutig läßt sich sagen: »Wenn ich glaubte, würde ich nicht philosophieren.«
Soll das heißen: es wäre besser, ich könnte glauben? - oder soll es heißen: gut, daß ich
philosophiere, sonst versänke ich in dem an sich unphilosophischen Glauben? - oder
soll nur von einem | Standpunkt außerhalb gesagt werden: Glaube und Philosophie 533
sind nicht miteinander verträglich? Jenen Satz könnte ich mir in keinem Sinne zu
eigen machen.
Oft sind Auswege gefunden, die die Offenbarung und die Vernunft abschwächten.
Man kann alle kirchlichen Ordnungen befolgen, an Sakramenten teilnehmen, und
doch seine philosophische Freiheit in einer unausgesprochenen, alle miteinander ver-
bindenden Skepsis sich vorbehalten. So aber konnte man allzuleicht sich auch täu-
schen, der Offenbarungsgläubige über seine bewahrte Freiheit, der vermeintlich phi-
losophisch Freie über die ihn lenkenden Gängelbänder.
Diese gesamte Ebene des Sichabstoßens in der Koexistenz, des Sichvereinigens
ohne Entschiedenheit ist dem Ernst der Sache nicht angemessen. Weder die schroffe
Alternative, gedacht unter dem Unstern eines philosophischen oder eines theologi-
schen Fanatismus, noch die konzilianten skeptischen oder freundlich-feindlichen
Ausgleichungen sind überzeugend.
Noch einmal stellen wir die Fragen:
Kann der Offenbarungsgläubige, wenn die Offenbarung für ihn wahr, weil wirk-
lich für ihn da ist, überhaupt eine andere Wahrheit gleichen Ranges, auf gleicher Ebene
ihr begegnend, anerkennen? Es ist doch unmöglich, weil Gott selbst für ihn spricht.
Muß der philosophisch Glaubende nicht zur Einsicht kommen, daß Offenbarung
Gottes unmöglich sei, und daher grundsätzlich die Offenbarung als Illusion verwerfen?
Welche sind die gemeinsamen Voraussetzungen gegenseitiger Anerkennung? Der
Offenbarungsgläubige müßte aus der Tatsache, daß die Mehrheit der Menschen ihm
nicht folgt, die Möglichkeit erschließen, daß das, was für ihn absolut, weil Offenba-
rung Gottes selber ist, nicht für alle Menschen verbindlich sei. Er darf verkündigen,
aber nicht erwarten, daß die Andern seinem Glauben folgen.
Der philosophisch Glaubende aber müßte den ihm fremden Glauben als aus ande-
rem Ursprung kommende mögliche Wahrheit anerkennen, auch wenn er ihn nicht zu
verstehen vermag. Er müßte der Verführung widerstehen, die ihn durch sein Denken-
können, wenn es das Bewußtsein seiner Grenzen verliert, zu der vermeintlichen Ein-
sicht treiben will, Offenbarung sei absolut unmöglich, weil sie für ihn nicht möglich ist.
Für beide haben ihre je eigenen Voraussetzungen etwas für sie Unwiderstehliches.
Es bedarf der ganzen kritischen Energie der Ver|nunft, um in der eigenen Unbedingt- 534
heit die Grenzen zu sehen und festzuhalten.
 
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