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Fussman, Gérard ; Hinüber, Oskar von ; Höllmann, Thomas O. ; Jettmar, Karl ; Bandini, Ditte ; Bemmann, Martin [Bearb.]
Die Felsbildstation Shatial — Materialien zur Archäologie der Nordgebiete Pakistans, Band 2: Mainz, 1997

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https://doi.org/10.11588/diglit.36948#0078
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ZU DEN KHAROSTHI INSCHRIFTEN
GERARD FUSSMAN

Obgleich die Felsbildstation Shatial nicht weit von Swat entfernt liegt, wo die Kharosthl-Schrift sechshun-
dert Jahre lang in Gebrauch war, ist die Anzahl der ermittelten Kharosthi-Inschriften bemerkenswert
klein: zwölf bis fünfzehn, gegenüber neun baktrischen und mehr als 400 Brähmi-Inschriften. Eine genaue
Datierung dieser Inschriften ist unmöglich: Sie sind sehr kurz und enthalten kaum akyams, deren Form
hinreichend entwickelt wäre, um datierbar zu sein. Die älteste Inschrift ist 36:116, wenn der Buckel des
wie es auf dem Photo den Anschein hat, wirklich geschlossen ist. Es würde sich in diesem Fall um ei-
ne Inschrift aus der indo-griechischen Epoche (2. Jh. v. Chr.) handeln, was historisch gesehen wenig wahr-
scheinlich sein dürfte und nicht der abgerundeten Form der übrigen aCszzras dieser Inschrift entspricht.
Alle übrigen Inschriften zeigen die sehr abgerundeten jüngeren Formen des Endes des 1. Jh. n. Chr. Jeg-
liche weitergehende Aussage über das Alter wäre spekulativ. Man kann lediglich annehmen, daß keine
Kharosthi-Inschrift in Shatial viel später als 350 n. Chr. entstanden ist, dem Zeitpunkt, als die Kharosthi
aus dem Gebrauch kam.^ Damit gehören die in Kharosthi abgefaßten Inschriften zu den ältesten In-
schriften in Shatial, wie bei einigen von ihnen auch die starke Patina bestätigt. Zudem sind drei der In-
schriften (30:20; 39:138; 50:36) teilweise von einer jüngeren Zeichnung oder Inschrift überlagert.
Die Kharosthi wurde erfunden, um die mittelindischen Dialekte (Gändhäri) der Region um Pesha-
war und des Swat schriftlich zu fixieren. Darüber hinaus wurde sie auch für die nicht-indischen Sprachen
der Gegenden benutzt, die im politischen und kulturellen Einflußbereich des nordwestlichen Indiens la-
gen. Dies gilt beispielsweise für die mit Gändhäri vermischte Verwaltungssprache von Niya in Xinjiang.
Keine Kharosthi-Inschrift in Shatial enthält linguistische Besonderheiten, die es erlauben würden, eine
bestimmte Sprache zu identifizieren, wie etwa die Gändhäri oder einen vergleichbaren Dialekt wie den
der Dokumente von Niya. Dies ist der Grund, warum mit einer einzigen Ausnahme keine der Inschriften
übersetzbar ist. Diese Ausnahme ist Inschrift 17:25: Sie besteht lediglich aus einem indischen Eigennamen
(kuvemja), der linguistisch nicht näher spezifiziert werden kann und vielleicht von einer Person nicht-indi-
scher Sprache getragen wurde. Die ungewöhnliche Form bzw. die ungewöhnliche Anordnung bestimmter
a/Aaras (5:35) stützt die Vermutung, daß viele der Kharosthi-Inschriften in Shatial in einer oder mehreren
unbekannten Sprachen geschrieben sind.
Die beiden interessantesten Inschriften sind 34:123 und 34:124. Sie stammen ganz offensichtlich aus der-
selben Zeit wie Stüpa 34:133 und datieren ihn in die Zeit zwischen 300 und 350 n. Chr.

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FUSSMAN 1994: 42.
 
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