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Fussman, Gérard ; Hinüber, Oskar von ; Höllmann, Thomas O. ; Jettmar, Karl ; Bandini, Ditte ; Bemmann, Martin [Bearb.]
Die Felsbildstation Shatial — Materialien zur Archäologie der Nordgebiete Pakistans, Band 2: Mainz, 1997

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https://doi.org/10.11588/diglit.36948#0112
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SHATTAL - KARAWANSEREI, HEILIGTUM ODER PILGERLAGER?

DITTE KÖNIG

Bei der Betrachtung des Gesamtmateriais der Station Shatial fällt zunächst auf, daß es hier, im Verhältnis
zu fast allen übrigen bekannten Stationen, mehr Inschriften als Zeichnungen gibt. An der räumlichen
Verteilung der Gravuren wird offensichtlich, daß sich die buddhistischen sowie die eindeutig von Einhei-
mischen, d.h. aus der Region stammenden Personen, angefertigten Ritzungen zwar über die gesamte Flä-
che verteilen, ihr Schwerpunkt allerdings deutlich in der östlichen Hälfte liegt. Die sogdischeü Ritzun-
gen beschränken sich demgegenüber fast ausschließlich auf den westlichen Teil. Absichtliche Tilgungen,
Zerstörungen oder Überlagerungen sind verhältnismäßig selten. Viele nachweisliche Tilgungen" beziehen
sich auf einzelne akxaras und dürften in der Regel als einfache 'Korrekturen' gewertet werden. Brähmi-
und sogdische Inschriften, buddhistische und nicht-buddhistische Gravuren wurden auf einzelnen Steinen
dicht nebeneinander eingeritzü Benachbarte freie Steine blieben oft ungenutzt. Besonders auffällig ist
dieses einträchtige Miteinander bei dem großen Stüpa auf Stein 34, wo sowohl Brähmi- und Kharosthl-In-
schriften als auch vor allem sogdische Inschriften in und um die Stüpa-Anlage eingeritzt wurden (vgl.
auch Tafel D).
As die bei weitem ältesten Gravuren in Shatial sind einige prähistorische Tierdarstellungen (z.B. auf
Stein 119, Tafel Xb) und Fußabdrücke im mittleren Teil der Station und auf dem Ruinenfelsen einzustu-
fen. Sie können daher vermutlich nicht als Anstoß für den im westlichen Abschnitt gelegenen späteren
Kern der Anlage betrachtet werden. Für den Zeitraum zwischen dieser frühen Periode und der eigentli-
chen Hauptphase lassen sich keine Gravuren sicher nachweisen. In diese Zeit könnten lediglich eine Rei-
he von Ritzungen auf dem Ruinenfelsen gehören, die in der Hauptsache Tier- oder Jagdszenen abbilden.
Angesichts der vergleichsweise geringen Anzahl solcher Jagdszenen und Caprinus-Darstellungen kann al-
lerdings nicht davon ausgegangen werden, daß Shatial jemals ein für Jäger besonders wichtiger Platz war,
wie dies etwa von Hunza-Haldeikish behauptet werden kann. So ist davon auszugehen, daß zumindest die
Steine im westlichen Teil der Anlage nicht kontinuierlich für Felszeichnungen benutzt wurden und daß
daher vielleicht "blockierte Reisende", wie Fussman annimmt,^ als Initiatoren des späteren nachchristli-
chen Felsbildkomplexes anzusehen sind.
Bei den Gravuren des östlichen Teils fällt auf, daß von ihnen im Vergleich zu denjenigen des westlichen
Teils sehr viel mehr im vorliegenden Band nicht abgebildet werden konnten, weil sie entweder zu stark
patiniert oder aus einem anderen Grund nicht mehr deutlich sichtbar waren. So ist die Möglichkeit nicht
auszuschließen, daß dieser Teil der Anlage seit längerer Zeit von Einheimischen und/oder Reisenden
aufgesucht wurde und eine Reihe der hier angebrachten Gravuren dementsprechend einen kleinen älte-
ren Felsbildkomplex darstellen könnten.
Abgesehen von diesen und den wenigen eindeutig alten Gravuren, zu denen vielleicht einige der Jagdsze-
1 Wobei festzuhalten ist, daß es in Shatial offenbar auch von Sogdiern angefertigte buddhistische Gravuren gibt (s.u.), sich
'buddhistisch' und 'sogdisch' also nicht unbedingt gegenseitig ausschließt.
2 Siehe Index II s.v.
3 Vgl. etwa die Steinübersichten auf den Tafeln A bis K.
4 Oben S. 81.
 
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